100 Arbeitsplätze fallen weg

Krewel Meuselbach: Standort wird dicht gemacht

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Berlin -

Kurz vor dem Jahreswechsel hat sich Dr. Theiss mit dem Insolvenzverwalter von Krewel Meuselbach auf einen Übernahmevertrag verständigt: Alle nicht-rezeptpflichtigen Marken und Zulassungen wechseln den Besitzer. Dr. Theiss übernimmt auch den Standort im thüringischen Gehren und wird dort die Produktion fortführen und strategisch weiterentwickeln. Der bisherige Firmensitz in Eitorf wird dagegen aufgegeben.

Mit der Übernahme endet eine lange Firmengeschichte.Foto: APOTHEKE ADHOC

In Eitorf hätten sich die wirtschaftlichen Risiken nach intensiver Prüfung als zu groß erwiesen, hieß es. Angesichts der steigenden Kosten und des Fachkräftemangels sei die Fortführung des Standorts betriebswirtschaftlich nicht mehr zu bewerkstelligen. 45 Angestellte sollen bereits zum Jahresende ausscheiden, weitere 55 Beschäftigte sollen die Abwicklung unterstützen.

So schmerzhaft die Entscheidung sei, habe man immerhin eine sozialverträgliche Lösung für alle Mitarbeitenden finden können. Alle Betroffenen würden in einer Transfergesellschaft aufgefangen und aktiv bei der beruflichen Neuorientierung unterstützt: Mit individuell zugeschnittenen Weiterbildungs- und Vermittlungsprogrammen werde gewährleistet, dass alle Beschäftigten ihre Qualifikationen zeitnah in neuen Positionen einbringen können. Man sei überzeugt, dass die hervorragend qualifizierten Mitarbeiter sich gut in den aufnahmefähigen Arbeitsmarkt integrieren würden und diese nicht von Arbeitslosigkeit bedroht seien.

Dr. Theiss sieht in der Übernahme eine Chance für Wachstum und Innovation. Der Standort in Gehren sowie die bewährten Produkte böten eine solide Basis für den strategischen Ausbau des internationalen OTC-Geschäfts. Die traditionsreichen Produkte blieben erhalten und die Belieferung der Kunden sei gesichert. Die entsprechenden Absprachen sollen in den kommenden Monaten vertraglich umgesetzt werden.

Der Standort in Thüringen bleibt erhalten.Foto: Krewel Meuselbach

Krewel Meuselbach gehörte zu den ältesten Pharmaherstellern in Deutschland. Die Wurzeln des Mittelständlers reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück: 1991 übernahm Krewel die Firma Meuselbach aus Thüringen von der Treuhand. Das Unternehmen wurde bereits 1745 erstmals urkundlich erwähnt; die Ursprünge reichen sogar 50 Jahre weiter zurück: Seit 1694 waren die Brüder Johann Balthasar und Johann Nicolai Lichtenheldt als Laboranten und Olitätenhändler tätig; aus ihrem Betrieb ging später die Arzneimittelfirma hervor.

Mit Meuselbach erwarb Krewel Marken wie Bromhexin oder Regulax, die in den neuen Bundesländern, aber auch in der ehemaligen Sowjetunion und anderen osteuropäischen Ländern große Bekanntheit haben. Doch nach fast 50 Jahren in Volkseigentum waren die Anlagen am Standort in Meuselbach veraltet. Die Verhandlungen mit der Gemeinde über einen Neubau blieben erfolglos, also wurde 1997 im Nachbarort Gehren eine neue Produktionsstätte eröffnet. Hier werden jährlich zwei Millionen Packungen produziert – neben Liquida gehen hier auch die Abführwürfel vom Band.

Frisches Geld für Krewel Meuselbach: Giuseppe Nardi, Dr. Martin Kaltwasser und Jonas Thielmann (von links)Foto: Consilium

Stark gestiegene Kosten

Krewel Meuselbach hatte am 26. Mai beim zuständigen Amtsgericht Bonn einen Antrag auf Durchführung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens gestellt. Ziel des Schrittes war es, das Unternehmen wirtschaftlich zu stabilisieren und neu auf dem Markt zu positionieren.

Als Grund für die Schieflage nannte der Hersteller aktuelle Herausforderungen wie gestiegene Energiekosten und die Nachwirkungen der Pandemie. Allerdings zeichnete sich der Niedergang seit Jahren ab. Nach dem Tod von Firmenchefin Ingeborg Viefhues im Juni 2011 hatte man zunächst versucht, die Marken neu zu positionieren und das Geschäft zu Wachstum zu führen. Die Investitionen in Marketing und Vertrieb kosteten Geld, und so gab es die ersten Jahre Verluste.

Das Werk in Eitorf in den 1950er-Jahren.Foto: Krewel Meuselbach

Vertriebsrechte verkauft

2018 wurde die Strategie gewechselt: Für 14,5 Millionen Euro übernahm Hermes unter Geschäftsführer Jörg Wieczorek die Zulassungen und Vertriebsrechte für den deutschen Markt. Doch der erhoffte Befreiungsschlag blieb aus: Erst gingen Millionenbeträge für Abfindungen drauf, 50 der ursprünglich 200 Stellen fielen weg. Dann ließ die Pandemie die Nachfrage nach OTC-Mitteln einbrechen.

Die seit Kriegsbeginn stark steigenden Kosten ließen sich mit den schmalen Margen aus der Lohnherstellung nicht mehr kompensieren; gleichzeitig waren Umbauten der in die Jahre gekommenen Produktion dringend notwendig. Obwohl 2022 wegen Zuwächsen auf der Einnahmenseite noch einmal mit einem positiven Ergebnis endete, waren für 2023 neuerliche Verluste von vornherein eingeplant.

Russland als Risiko

Erschwerend hinzu aber kommt, dass vor dem Krieg mehr als ein Drittel des Umsatzes in Russland erzielt wurde – der Angriff auf die Ukraine wurde daher schon vor zwei Jahren als bestandsgefährdendes Risiko ausgemacht: Während die Kosten für die Auslieferung und die Unsicherheiten mit Blick auf mögliche Zahlungsausfälle stiegen, blieben durch den Verfall des Rubel kaum Erträge übrig. Schon 2022 musste Krewel Meuselbach einen Millionenbetrag abschreiben.

Ingeborg Viefhues, Tochter des Firmengründers, hatte verfügt, dass die Firma nicht verkauft werden darf.Foto: Krewel MeuselbachFoto: Krewel Meuselbach

Noch in Familienbesitz

Krewel Meuselbach gehört zu den ältesten Pharmaherstellern in Deutschland. Während Krewel 1923 am heutigen Standort gegründet wurde, wurde die 1991 übernommene Firma Meuselbach aus Thüringen bereits 1745 erstmals urkundlich erwähnt. Auch nach dem Tod von Viefhues ist der Hersteller in Familienbesitz. In ihrem Testament hatte die Tochter von Firmengründer Dr. Ernst Georg Blank verfügt, dass das Unternehmen in wirtschaftlicher Selbstständigkeit fortzuführen sei. Über die Geschicke wachte bislang ein Beirat, zu dem neben einem Unternehmensberater und einem Apotheker auch Dr. Günther Auerbach von Dr. Pfleger gehört.

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