Das Rennen um Marktanteile beim Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) ist in vollem Gange und immer mehr Apotheken setzen nicht auf ein etabliertes Softwarehaus, sondern auf den Neueinsteiger Red Medical mit seiner alternativen Konnektoren-Lösung. Der hat bereits einige dicke Fische an Land gezogen: Red hat einen Kooperationsvertrag mit Elac Elysée unterschrieben und kann sich nun Hoffnung machen, die Mehrzahl der 480 Guten-Tag-Apotheken bald auf der Kundenliste zu haben. Auch Easy hat er schon am Haken. Wie genau die Kooperationen gestaltet sind, darüber schweigen sich die Beteiligten aus, doch die teilnehmenden Apotheken seien weiter frei in ihrer Anbieterwahl, erhalten aber in jedem Fall Sonderkonditionen für den Anschluss. Nur eine Kooperation hat sich bisher entschieden, geschlossen zu Red zu gehen.
Ohne Konnektor kein Zugang zur TI, so viel ist klar. Doch Red Medical kann immer mehr Kooperationen, Verbände und Unternehmen überzeugen, dass ihre Apotheken den Konnektor nicht unbedingt in der Offizin stehen haben müssen, sondern zentral im Rechenzentrum unterbringen und sich per IP-Schnittstelle mit ihm verbinden können. Dabei spielt Red ausgerechnet ein Versagen der Gematik in die Hände: Seit über anderthalb Monaten hat die nämlich mit einem flächendeckenden Konnektoren-Ausfall zu kämpfen.
Ein Update wurde falsch durchgeführt und hat deshalb die Konnektoren mehrerer großer Anbieter ausgeknockt. Zehntausende Praxen konnten sich nicht mit der TI verbinden, die Folge: Sie können keine elektronischen Gesundheitskarten auslesen und daher kein Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchführen. Um die TI-Boxen wieder zum Laufen zu bringen, muss vor Ort händisch ein weiteres Update aufgespielt werden. Auf Kosten und Aufwand bleiben die Praxen sitzen. In der Ärzteschaft hat das in den vergangenen Wochen einiges an Aufruhr verursacht. Die Wut kriegt nicht nur die Gematik ab, sondern auch die eigenen Standesvertreter: In Baden-Württemberg fordert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) wegen der Affäre bereits den Rücktritt des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
So weit soll es bei den Apothekern erst gar nicht kommen, wirbt Red-Medical-Geschäftsführer Jochen Brüggemann für sein Unternehmen. Denn würde die Konnektorenstörung heute in einem Jahr auftreten, wären die Folgen für die Apotheken weitaus größer als Probleme der Praxen mit dem VSDM: Dann könnten E-Rezepte weder empfangen noch bearbeitet oder bedient werden. Es müsste auf den Notfallplan des Gesetzgebers ausgewichen werden, der für eine solche Situation eine temporäre Rückkehr zum Muster-16-Rezept vorsieht. Dass das in so einer Situation bei gleichzeitigem Ausfall anderer TI-Anwendungen ohne größere Probleme über die Bühne gehen würde, glaubt allerdings kaum ein Apotheker – ganz zu schweigen vom Aufwand, wenn 19.000 Apotheken zeitgleich einen TI-Techniker ihres jeweiligen Anbieters brauchen.
Hier tritt Brüggemann auf den Plan. Sein Argument: Hat jede Apotheke den Konnektor in der Offizin stehen, müssten die Anbieter von Betrieb zu Betrieb gehen, um das Update aufzuspielen. Das dauere Wochen und verursache einiges an Ärger, wie man gerade bei den Ärzten sieht. Stünden alle Konnektoren zentral in einem Rechenzentrum, könnten sie innerhalb eines Tages wieder startklar gemacht werden – man könne das Update einfach einmal zentral auf alle Konnektoren aufspielen. Damit konnte Brüggemann bereits einige Kunden gewinnen, beispielsweise Frank Knecht, den Inhaber der Bahnhof-Apotheke in Eberbach. „Wir möchten keine weitere Technik in unserer Apotheke stehen haben, deren Funktionalität von uns überwacht werden muss“, sagt er. „Stellen Sie sich vor das E-Rezept ist da und wir könnten es wegen eines solchen Fehlers möglicherweise über Wochen nicht auslesen. Das wäre für die Apotheke vermutlich existenzbedrohend.“
Knecht ist Mitglied der Nordbadischen Apothekengruppe (Nobag), einem Zusammenschluss von 14 Apotheken im Rhein-Neckar-Kreis, der sich entschieden hat, geschlossen auf die Red-Lösung zu setzen. Nobag ist die einzige Kooperation, die das bisher getan hat – dafür hat Brüggemann bereits Verträge mit weitaus größeren Playern an Land gezogen, die zwar nicht exklusiv sind, aber den Mitgliedern bessere Konditionen bei Red Medical einräumen. Darunter sind so prominente Namen wie Easy, Pluspunkt und Maxmo, aber auch Standesvertretungen wie der Apothekerverein Saarland und der Bremer Apothekenverband. Zuletzt unterzeichnete Elac Elysée für die über 480 Guten-Tag-Apotheken. „Indem wir mit Red Medical eine Rahmen-Vereinbarung schließen, ergänzen wir die Angebote der Warenwirtschaftsanbieter an die Partnerapotheken um ein innovatives und alternatives Konzept“, so Frank Baer, Geschäftsführer von Elac Elysée Apotheken Consulting. „Zahlreiche ELAC-Partnerapotheker sind überzeugt von der Expertise der Red Medical in diesem Bereich und möchten die moderne Lösung mit einem im Rechenzentrum gehosteten Konnektor für sich nutzen. Wir entsprechen diesem Bedarf mit einer auf die Kooperation zugeschnittenen Rahmen-Vereinbarung.“
Brüggemanns Hoffnung ist, dass die verbesserten Konditionen dazu führen, dass sich jeweils ein darstellbarer Teil der Kooperationen für Red Medical und gegen die bisherigen Platzhirsche auf dem Apothekensoftwaremarkt entscheidet. Wie viele Apotheken er schon hat und wie viele es werden sollen, darüber schweigt er sich aus. „Der Plan ist, dass wir eine vierstellige Zahl erreichen“, lässt er sich als einziges abringen – also zwischen 1000 und 10.000. Dass er die Konkurrenz mit seinen Plänen durchaus nervös zu machen weiß, zeigt das Verhalten von Awinta. Das Softwarehaus hatte in einer Präsentation gegen Red Medical mobil gemacht, es dabei aber mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Brüggemann wehrte sich mit einem offenen Brief – Awinta musste sich öffentlich bei ihm entschuldigen.
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