Automat statt Alphabet Carolin Bauer, 08.06.2016 14:16 Uhr
Auf ihren Rowa sind viele Apotheker besonders stolz. Die Idee zu einem Kommissionierautomaten für Arzneimittel kam Firmengründer Rolf Wagner per Zufall. Auf einer Zugreise nach Hamburg lernte er 1993 ein Pharmazeutenehepaar kennen, das ihm von den Herausforderungen im Arbeitsalltag berichtete. 1996 gründeten er und Markus Willems die Firma Rowa und verkauften ein Jahr später den ersten Automaten.
Wagner wollte den Kundenkontakt optimieren, um für das pharmazeutische Personal mehr Zeit für Beratung und Zusatzverkäufe zu schaffen. Er hatte in Aachen Fertigungstechnik studiert und führte seit 1989 in dritter Generation die Firma Wagner Maschinenbau Kelberg (WMK). Für Marketing und Vertrieb sollte bei Rowa Willems zuständig sein, der zuvor für Technisat den Export organisierte.
Die beiden Unternehmer starteten in Kelberg in einem ehemaligen Autohaus mit fünf Mitarbeitern – heute sind es 450. Einen einstelligen Millionenbetrag hatten Wagner und Willems bis zur Fertigstellung des Prototyps investiert; Fördermittel hatte es von Bund und Land gegeben. Der erste Rowa wurde 1996 in der damals neu gegründeten Saxonia-Apotheke von Inhaber Christian Flössner in Dresden installiert. Als Rowa 2000 Ausstatter der Apotheke auf der Expo Hannover wurde, waren bereits 100 Automaten verkauft, einige davon ins Ausland. 2003 wurde die vollautomatische Einlagerung (ProLog) entwickelt.
2005 verkaufte Wagner den Familienbetrieb WMK. Der Ingenieur hatte sich zuvor bereits immer stärker auf Rowa konzentriert. Damals waren bereits 1000 Rowa-Automaten in Betrieb. „Man kann nicht gleichzeitig auf zwei Hochzeiten tanzen. Beide Firmen, WMK und Rowa, haben sich sehr dynamisch entwickelt. Da läuft man Gefahr, dass man das Gefühl für Details verliert“, sagte Wagner 2006 in einem Interview.
Im gleichen Jahr holte er Dirk Wingenter in die Geschäftsführung. Die Firma wuchs weiter. Die Zahl der Beschäftigten stieg auf 200, weshalb neue Geschäftsräume benötigt wurden. 2007 wurde die Produktion um 2500 auf heute 7500 Quadratmeter erweitert. Im gleichen Jahr wurde der 2000. Automat verkauft.
2009 stieg Dr. Christian Klas in die Geschäftsführung ein. Gleichzeitig wurde auf der Expopharm der Vmax vorgestellt. Das neue Modell sollte Apotheker angesichts seiner variablen Größe überzeugen. Der Automat fasst bis zu 4.000 Packungen pro laufenden Meter. Wegen des 2004 eingeführten Abgabeterminals Visavia hatte der Hersteller Ärger mit Apotheken. Letztlich verbot 2010 das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) den Betrieb weitgehend.
Im Juli 2011 übernahm der US-Medizintechnikanbieter CareFusion den Automatenhersteller. Der Kaufpreis lag bei rund 150 Millionen US-Dollar. Die Verhandlungen liefen mehr als zwei Jahre. Zuvor war der Konzern im September 2009 vom US-Großhändler Cardinal Health abgespalten worden. Wagner engagiert sich seitdem als Förderer von Start-ups oder anderen Unternehmensbeteiligungen im Bereich saubere Energien.
2014 folgte der nächste Inhaberwechsel: Der US-Medizintechnikhersteller Becton Dickinson (BD) kaufte den Rowa-Mutterkonzern. Geboten wurden insgesamt 12,2 Milliarden Dollar. CareFusion blieb weiter ein eigenständiges Unternehmen mit Hauptsitz in San Diego, wurde aber in BD's Segment Medical integriert. Der neue Inhaber zielte mit der Fusion vor allem auf das Medikationsmanagement. BD – einer der führenden Anbieter von Spritzen und Kathedern – will in diesem Bereich zu einem weltweit führenden Unternehmen werden.
Heute stehen rund 6500 Rowa-Automaten in Apotheken, bei Großhändlern und in Blisterzentren. Das Unternehmen ist hierzulande führend in der Herstellung von Kommissionierautomaten. Die Geräte werden in der Eifel entwickelt und hergestellt sowie in rund 30 Länder verkauft. „Hinter Rowa steht deutsche Ingenieurskunst“, sagt Wingenter. In der Geschäftsführung sind heute außerdem Klas, Christian Magnet und Roland Pfleger tätig.
Längst werden auch andere Segmente bedient: Rowa bietet beispielsweise auch Steuerungssoftware an, die Warenlager und Warenwirtschaft vernetzt und Handscanner für eine manuelle Einordnung der Arzneimittel. Zudem wird in digitale Angebote investiert: Der Vpoint ist ein Terminal für die Freiwahl, an dem sich Kunden durch Indikationen und Sortimente navigieren können. Zudem gibt es die digitale Sichtwahl Vmotion.