Kommentar

Das ärztliche Gewinnstreben

, Uhr
Berlin -

Eigentlich dürfte es „Zur Rose“ gar nicht geben. Denn aus gutem Grund

sollen Ärzte nicht an der Verordnung von Arzneimitteln verdienen. Weil

aber in bestimmten Regionen der Schweiz die Selbstdispensation erlaubt

war, gründeten Anfang der 1990er Jahre Mediziner mit Praxisapotheke

einen eigenen Großhandel. So weit, so gut. Doch aus der

Versorgungslösung wurde ein Geschäft, und die Gewinne fegten alle

berufsständischen Bedenken hinweg. Seitdem operiert „Zur Rose“ permanent

im rechtlichen Graubereich. Die Liste der Verfahren ist lang.

Über die Versandapotheke können in der Schweiz auch Ärzte ohne eigene Praxisapotheke Gewinne erzielen, wenn sie Arzneimittel verordnen: Möglichst viele Rezepte hinschicken, möglichst hohe Dividende kassieren. Zwar hat jetzt die Regierung des Kantons Aargau das Spiel als Umgehungstatbestand zum Selbstdispensationsverbot erkannt. Doch die Mediziner haben längst eine Volksinitiative gestartet, um ohne Umweg ins Geschäft zu kommen. Als Interessenvertretung kämpft „Zur Rose“ an vorderster Front: Wo Ärzte Unternehmer sind, können Unternehmen auch Standesvertetung spielen.

Verbote interessieren die Ärzte-Unternehmer seit jeher nicht besonders. Obwohl Arzneimittel in der Schweiz nur verschickt werden dürfen, wenn ein Rezept vorliegt, bietet „Zur Rose“ OTC-Arzneimittel an. Die Patienten müssen hierzu Gesundheitsfragen beantworten, von „Zur Rose“ beauftragte Ärzte stellen dann die entsprechenden Rezepte aus. Das Modell wird rechtlich geprüft.

Katz und Maus spielt „Zur Rose“ auch im Ausland: In Deutschland wurde für das Fremdbesitzverbot eine komplizierte Konstruktion auf die Beine gestellt, die am Ende nur aus verfahrenstechnischen Gründen nicht angegriffen werden konnte. Das generelle Versandverbot in Österreich umgeht die Ärzte-AG über Tschechien. Für Präsenz in der Fläche sorgt bald in beiden Ländern dm und in Deutschland Rossmann – Drogerie statt Apotheke.

Nun mag man das Ausloten rechtlicher Grenzen als unternehmerische Cleverness sehen. An der Spitze von „Zur Rose“ stehen wohl nicht zuletzt aus diesem Grund Juristen und Gesundheitsökonomen. Die 1900 Ärzte-Aktionäre aber müssen sich die Frage gefallen lassen, wie viel Heilberuf noch in ihnen steckt. Warum ihnen Grenzgänge wichtiger sind als Versorgung. Warum ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen Vorrang haben vor dem Selbstverständnis anderer Berufsgruppen. Und ob ein Gesundheitswesen funktioniert, in dem jeder gegen jeden arbeitet.

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