Die Erfolge von Hartmut Retzlaff sind unbestritten. Er hat die Stada seit 1993 nicht nur im deutschen Markt verankert, sondern auch international aufgestellt. Wer sonst kann schon von sich behaupten, aus einem „besseren Hasenstall“ im Alleingang einen weltbekannten Generikakonzern geschmiedet zu haben? Dass er sich nun erstmals kritischen Fragen stellen muss, kann ihm und seinem unternehmerischen Werk nur gut tun.
Es sind nicht unbedingt nur hehre Ziele, die die Kritiker jetzt auf den Plan rufen. Während der Finanzinvestor AOC nach eigenem Bekunden im Interesse der Aktionäre Schwächen ausmerzen und Verbesserungspotenziale heben will, geht es anderen Akteuren wohl schlichtweg darum, die Stada sturmreif zu schießen.
Der Konzern gilt sei Jahren als Übernahmekandidat; Retzlaff hat sich bislang gegen jedes Angebot gesperrt – obwohl oder gerade weil ihm bei einem Verkauf eine großzügige Abfindung zusteht. Dem Aktienkurs der Stada haben die immer wieder auftauchende Übernahmegerüchte in schöner Regelmäßigkeit sehr gut getan, was womöglich auch etwas über deren Gehalt aussagt.
Die Unabhängigkeit eines Unternehmens wie der Stada ist ein Wert, mit dem Banker und Finanzinvestoren in der Regel nichts anfangen können. In Finanzkreisen gilt der letzte verbliebene deutsche Generikakonzern längst als zu klein, um international mitspielen zu können. Dass andere Hersteller ihren Börsenwert durch Zukäufe und auf Pump gesteigert haben, spielt in der ökonomischen Betrachtung eine untergeordnete Rolle – genauso wie die Tatsache, dass die Stada in den Apotheken seltener durch Lieferengpässe und Qualitätsmängel auffällt als die Konkurrenz.
Unabhängigkeit ist aber kein Selbstzweck, vor allem darf sie keine Selbstbedienungsmentalität rechtfertigen. Kontrolle ist gut und wichtig – und wenn keine Konzernzentrale aus Übersee hinsieht, müssen eben Mitarbeiter und Anteilseigner genauer nachfragen.
Natürlich müssen sich die Stada-Aufsichtsräte den Vorwurf gefallen lassen, in der Vergangenheit ihrem Vorstandschef den einen oder anderen Alleingang durchgehen gelassen zu haben, der in andere Konzernen nicht möglich gewesen wäre.
Frischer Wind wird der Stada in jedem Fall gut tun. Retzlaff sollte sich den kritischen Fragen stellen statt ihnen in reflexartig auszuweichen. Das Heft des Handelns hat er in der Hand. Wenn er nichts zu verbergen hat, hat er auch nichts zu verlieren.
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