Angriff auf den Schutzwall Carolin Bauer, 06.01.2014 13:44 Uhr
Selbstmedikation ist nicht Selbstbedienung. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im vergangenen Herbst klargestellt. Dass die Apotheker jetzt mit Rabatten verführt werden, OTC-Marken in der Freiwahl zu platzieren, ist gefährlich – auch wenn es sich nur um leere Packungen handelt.
Die Premiumplätze in der Sichtwahl sind hart umkämpft. Damit es nicht dem Zufall überlassen bleibt, welches Produkt die PTA abgibt, greifen die Hersteller zu unterschiedlichen Strategien. Dachmarken sind eine (umstrittene) Möglichkeit, Aufmerksamkeit beim Kunden zu erreichen. Klosterfrau rückt noch näher an den Verbraucher und steigt mit seiner Marketing-Aktion über den HV-Tisch in die Wartezone.
Warum eigentlich nicht? Im Fernsehen wird schließlich für apothekenpflichtige Arzneimittel genauso geworben wie für freiverkäufliche Produkte. Auch käme niemand Idee, OTC-Produkte aus den Schaufenstern der Apotheken zu verbannen. Und Versandapotheken sind in Sachen Arzneimittelsicherheit sowieso eine Klasse für sich – eine Beratungspflicht gibt es im Internet schlichtweg nicht.
Der Vorstoß von Klosterfrau ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Branche. Denn mit der Apothekenpflicht soll die Beratung durch Fachpersonal sichergestellt werden. Dass dabei der HV-Tisch zum Schutzwall erklärt wird, liegt in der Natur der Sache: Es gibt keine Alleinstellung für Produkte in der Freiwahl – die Kosmetikhersteller kennen den oft vergeblichen Kampf um die Apothekenexklusivität.
Es gehört zu den Alleinstellungsmerkmalen der Apotheken, dass die Mitarbeiter ihren Kunden bei der Kaufentscheidung in der Selbstmedikation zur Seite stehen können. Die Richter in Leipzig hatten zurecht deutlich gemacht, dass die Kunden deutlich weniger empfänglich für Ratschläge sind, wenn ein Produkt bereits im Warenkorb liegt.
Dass jetzt ausgerechnet Klosterfrau an der Apotheken- beziehungsweise OTC-Pflicht („Over the counter“) rüttelt, ist ein Bärendienst. Geht der Vorstoß aus Köln durch, sehen sich vermutlich auch andere Hersteller genötigt, die Freiwahl mit leeren Packungen oder anderen pfiffigen Aktionen zu fluten.
Der Faden ließe sich dann beliebig fortspinnen: Zur Rose etwa könnte ohne Probleme OTC-Dummies bei dm ins Regal stellen. Die Apothekenpflicht würde dann nur noch für die Tabletten im Blister gelten. Arzneimittel brauchen aber einen Schutzwall ohne Löcher.