Je gefährlicher ein Feind wird, desto genauer will man ihn kennen. Insofern kann AEP es als Ehrung empfinden, wenn sich die Noweda so für die Geschäfte des Newcomers interessiert. Es war ein kurzer Weg von „Hier zittert keine Glühbirne“ bis zum Zählen der AEP-Kisten in der Apothekenschleuse. Das ist einerseits fast rührend, andererseits ein ziemlich unverschämter Vertrauensbruch.
Meine Güte, dann lässt Noweda eben die andersfarbigen Kisten zählen, das ist doch nicht gleich Industriespionage. Dass sich Wettbewerber im Auge behalten, gehört zum Wesen des Wettbewerbs. Und die Großhändler sind entgegen böswilliger Kommentare noch immer Konkurrenten – insbesondere in dieser speziellen Konstellation. Da dürfen die Samthandschuhe auch schon mal etwas raufaseriger sein, könnte man meinen.
Noweda-Chef Wilfried Hollmann hatte zwar zum AEP-Start getönt, keiner in der Branche habe nennenswert Angst. Aber er wäre kein guter Geschäftsmann, wenn ihn der Einstieg eines großen Investors in einen komplett verteilten Markt nicht wenigstens ein bisschen nervös gemacht hätte. Das Kistenzählen – so mit Wollen und Wissen des Firmenchefs – lässt die Fassade der Abgeklärtheit bröckeln.
Aber das ist nur die wettbewerbliche Seite der Medaille. Denn die Noweda spioniert nicht nur AEP aus, sondern auch und vor allem die Apotheker. Die eigenen Kunden. Die Anteilseigner der Genossenschaft. Im härtesten Konkurrenzkampf sollte es Regeln geben. Ganz normale Regeln des Anstands.
Auch Apotheker möchten wissen, wie viele Rezepte der Nachbar beliefert und bei welchen OTC-Produkten er aktuell den Preiskampf eröffnet. Auch Apotheker haben bei der Anlieferung nebenan schon Kisten zählen lassen oder einen eigenen Mitarbeiter auf fremde Preisschilder linsen lassen. Darüber mag man die Nase rümpfen, es gibt aber einen erheblichen Unterschied: Die beiden Apotheker haben untereinander keine Geschäfts- und Vertragsbeziehung.
Noweda lässt nicht nur die AEP-Kisten zählen. Wenn minutiös dokumentiert wird, welche Apotheke wie viele Kisten in der Schleuse stehen hat, erfährt Noweda letztlich mehr über die Apotheke als über deren Lieferanten.
Was kommt als nächstes? Sollen die Lieferscheine der Konkurrenz abfotografiert oder stichprobenartig fremde Kisten geöffnet werden? Wer seinem Lieferanten einen Schlüssel für den eigenen Laden überlässt – und sei es nur für die Schleuse – gewährt einen Vertrauensvorschuss.
Das Vertrauen der Apotheker wird von der Noweda missbraucht. Ausgerechnet von der Noweda. Gerade in einer Genossenschaft sollte ein offenes Wort möglich sein, auf kleinem Dienstweg zwischen Außendienst und Apotheker. Zumal Hollmann seine Schäfchen bei den Vertreterversammlung regelmäßig darauf einschwört, möglichst nur bei ihm zu bestellen.
Auch wenn ihm der Erfolg Recht gibt: Offenbar muss auch ein Hollmann zu unsauberen Methoden greifen, wenn seine Lehre von der guten Genossenschaft nicht überall verfängt. Die Noweda ließ nicht nur AEP ausspionieren, sondern auch andere Konkurrenten. Mag sein, dass das in der Branche üblich ist. Aber würde es das besser machen?
Und eins noch: Natürlich setzt sich kein Vorstand eines Großhändlers in den Lieferwagen, um seine Neugier zu befriedigen. Nicht einmal direkte Angestellte werden eingesetzt. Nein, es trifft das letzte Glied in der Großhandelsnahrungskette: Fahrer von Sub- oder Sub-Sub-Unternehmen, denen das Mindestlohngesetz irgendwie keine Besserung gebracht hat und die für ihren kargen Lohn jetzt auch noch spitzeln sollen. Es ist einfach nicht in Ordnung.
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