DocMorris: Ausgeräubert Patrick Hollstein, 16.06.2017 10:34 Uhr
Mit rechtlichen Mitteln ist DocMorris nur schwer beizukommen: Die Versandapotheke jongliert so viele Bälle in der Luft, dass das Spiel auch dann weitergeht, wenn einer mal zu Boden fällt. Sollte es dennoch eng werden, lässt sich die Sache aussitzen – die Grenze ist in Richtung Holland deutlich weniger durchlässig als in umgekehrter Richtung. Schmerzhaft wird es für DocMorris aber, wenn die wirtschaftliche Grundlage in Gefahr gerät. Das Geschäftsmodell wackelt – ausgerechnet vor dem geplanten Börsengang.
Patienten mit Arzneimitteln zu versorgen, ist im System DocMorris zweitrangig. Im Kern geht es den Schweizern darum, den Markt aufzubrechen, bestehende Strukturen zu zerschlagen und dann nach geänderten Spielregeln neu aufzubauen. Anders lässt sich das propagierte Multichannel-Modell nicht interpretieren: Erst Versand-, dann Vor-Ort-Apotheke, lautet die Devise.
CEO Walter Oberhänsli macht auch gar keinen Hehl daraus, dass sein großes Vorbild Amazon ist, er er aber gerne auch als Robin Hood gesehen wird. Dem mitteralterlichen Mythos folgend, wird der Feind – hier: das deutsche Apothekensystem – dort angegriffen, wo er am empfindlichsten ist. Statt mit Pfeil und Bogen wird mit Rabatten und Automaten gekämpft. Bruder Tuck trägt zwar heute eine Anwaltsrobe. RobinMorris ist aber immer noch schneller, weil er sich nicht um die Regeln schert, weil er sein Räuberhandwerk beherrscht und es versteht, die Zuneigung der Armen und Entrechteten zu gewinnen.
Sympathien sind wichtig, schon die Truppe im Sherwood Forest brauchte möglichst viele Unterstützer, um nicht an den Sheriff von Nottingham ausgeliefert zu werden. Und hier lauert derzeit das größte Risiko für Oberhänsli und seine treuen Gefährten: Dass die Rebellen den Apothekern Dampf machen, finden viele Beobachter unterhaltsam. Wenn aber plötzlich Kollateralschäden auftreten, ist der Spaß schnell vorbei.
DocMorris hat lange versucht, alle anderen Kreise aus den Scharmützeln mit den Apothekern herauszuhalten. Und das funktionierte, denn niemand wollte sich ernsthaft und systematisch mit den wiederholten Rechtsverstößen auseinander setzen: Die Kassen druckten lieber Flyer für DocMorris. Der Fiskus spendierte eine Steuer-Amnestie. Die Behörden erlaubten den OTC-Automaten. Und die Gerichte ließen Ordnungsgelder verjähren. Den Schlingeln konnte man einfach nicht böse sein.
Ausgerechnet mit seinen Rabatten hat DocMorris jetzt aber seinen bisherigen Verbündeten lange Zähne gemacht: Die Kassen wollen den Bonus für sich, das Finanzamt will sich auch nicht von Rabattjägern foppen lassen. Und die Hersteller sehen nicht ein, warum sie den Spaß finanzieren sollen.
Und so steckt DocMorris in der Falle: Auf einmal werden ordentliche Quittungen gefordert, damit wird das Bonusmodell für die Versicherten unattraktiv. Selektivverträge mit den Kassen kommen auch nicht infrage, denn dann könnten die Hersteller auf die Idee kommen, den Zwangsrabatt einfach einzubehalten – Stichwort Herstellerrabattabwälzungsmechanismus. Und auch der Automat wird nicht einfach als Spielart des Versandhandels angesehen. DocMorris ist im Apothekenalltag angekommen. Die Zeit der wilden Räuber-Romantik ist vorbei.