Kommentar

Der Herr im eigenen Lager

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Berlin -

Die persönliche Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung zählt zu den ehernen Vorschriften des Apothekengesetzes (ApoG). Stille Gesellschaften sind ebenso verboten wie Umsatz- oder Gewinnbeteiligungen, auch in Bezug auf Mietverträge. Nun sind aber Apotheker Kaufleute. Und wirtschaftliche Entscheidungen sind nie frei von Interessen. Die Grenze ist schwer zu ziehen – und wird immer wieder ausgetestet. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Am 15. Dezember 2011 erwarteten die Apotheker ein Grundsatzurteil: Es ging um die deutsche Versandapotheke „Zur Rose“ und den gleichnamigen Schweizer Logistiker, der den Versand organisierte, manche sagen: verantwortete. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sollte letztinstanzlich entscheiden, wie weit Apotheker Kernaufgaben des eigenen Geschäfts an Dritte auslagern dürfen, ohne die Herrschaft über den Apothekenbetrieb zu verlieren. Doch die Leipziger Richter spielten nicht mit und wiesen die Klage ab – der Falsche hatte geklagt.

Dabei hatte sich das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt (OVG) eingehend mit dem Konstrukt „Zur Rose“ befasst. Weil Marketing, Abrechnung und „sämtliche Tätigkeiten und Leistungen einer Versandapotheke“ von der GmbH geführt wurden, könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Apotheker die Versandapotheke komplett selbst leite – „in rechtlichen und wirtschaftlichen, nicht einmal in allen pharmazeutischen Fragen“. Dass die Kapitalgesellschaft je nach Anzahl der eingereichten Rezepte und bearbeiteten Packungen kassierte, war für die Richter das letzte fehlende Puzzlestück.

Die – mittlerweile überarbeitete – Konstruktion bei „Zur Rose“ zeigt zwei Dinge: Wie nah Dienstleistung und Mitbestimmung beieinander liegen und wie schwer es ist, dagegen vorzugehen. Wenn jetzt der Versender Aponeo sein neues Lager von einem Investor bauen und betreiben lässt, hat das zwar eine andere Qualität als damals in Halle, berührt aber dennoch die Kernfrage: Wann ist der Apotheker Herr im eigenen Haus?

Laut ApoG muss der Versand „aus einer öffentlichen Apotheke zusätzlich zu dem üblichen Apothekenbetrieb und nach den dafür geltenden Vorschriften erfolgen“. Bei Aponeo werden künftig die Bestellungen vor der Konfektionierung in fremder Halle anonymisiert. Auch wenn eine mögliche Fehlerquelle damit im wahrsten Sinne des Wortes ausgelagert wird, bleibt die Verantwortung bei der Versandapotheke, ebenso bleibt aber ein Arbeitsschritt in fremden Händen.

Genau das unterscheidet diesen Einsatz von Fremdkapital von der Situation in jenen Vor-Ort-Apotheken, in denen das Lager de facto noch dem Großhändler gehört. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit mag auch hier zuweilen zweifelhaft sein, aber immerhin geht es nur ums Geld.

Ein fremdfinanziertes Lager einer Versandapotheke möge „juristisch einwandfrei“ sein, aber eben auch ein Elastizitätstest des Apothekenrechts. Die persönliche Leitung bei mehreren tausend verschickten Päckchen täglich hat sowieso schon Schrammen – auch hier kann man eine herrliche Debatte führen – Groß- oder Zytoapotheken und Filialverbünde eingeschlossen.

Mit dem Vorwurf, die Unabhängigkeit der Apotheker zu beschneiden, müssen sich regelmäßig auch die Kooperationen auseinandersetzen. Denn deren Einfluss beginnt beim gemeinsamen Einkauf und reicht bis zu Kontrollen des Category Managements und sehr verbindlichen Vorgaben in der Außendarstellung. Puristen des Apothekenrechts geht das schon zu weit. Die Marktorientierten halten dagegen, dass ein Apotheker sich mehr auf die Beratung seiner Kunden konzentrieren kann, wenn er sich weniger um Flyer und Ausstattung kümmern muss.

Doch selbst ohne Dachmarke – die Einflüsse von außen sind zahllos und schwer zu gewichten. Jeder Apotheker weiß, wie hoch seine Marge beim No-Name-Schmerzmittel im Vergleich zum Originalprodukt ist. Und von einem ungeeigneten Präparat wird er hoffentlich auch bei günstigen Einkaufskonditionen abraten. Der Apotheker ist so unabhängig, wie der Lehrer, der Richter und der Journalist neutral sind.

Juristen fliehen sich gerne in die Floskel, etwas müsse „im Einzelfall entschieden werden“. Bei Apothekeninhabern kommt dem Satz eine Bedeutung zu, die weit über die Auslegung von Paragraphen hinausgeht: Es kommt auf den einzelnen Apotheker an, auf sein Rückgrat, seinen Willen zu Unabhängigkeit.

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