Kommentar

Contra: Riskante Innovationen

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Berlin -

Digitale Sichtwahl, Vorbestellung im Internet, Lieferung frei Haus. Immer mehr geht bei der Versorgung. Aber nicht alles, was geht, ist auch gut. Apotheken müssen aufpassen, dass sie sich nicht selbst überflüssig machen.

Der Schritt von einer Apotheke mit digitaler Sichtwahl, Vorbestellungsbildschirmen und Beratungsstele zum Onlinekauf ist deutlich kleiner als von einem Einkaufserlebnis mit allen fünf Sinnen. Denn auf die Haptik der Packung, den Geruch der Kosmetik und das Geschenk fürs liebe Kind verzichtet man dann ohnehin schon.

Im Gegenzug: Was nützt es dem Kaufmann Apotheker, sein Warenlager zu reduzieren und trotzdem auf eine Stele mehr als 100.000 Produkte zu präsentieren? Im Zweifelsfall entscheidet sich der Patient für eines, das zufällig nicht in dem verschlankten Warenlager vorrätig ist. Und wenn er das Produkt schon so wunderbar selbst rausgesucht hat, dann schafft er das Zuhause im Internet sicher noch einmal. Selbst wenn er eigentlich nicht onlineaffin ist.

Ganz abgesehen davon: Bildschirme, die am Bahnhof oder im Supermarkt Arzneimittel bewerben und auf denen man die Präparate sofort bestellen kann, tragen nicht dazu bei, das Produkt seriöser erscheinen zu lassen. On-Pack-Promotions oder Rabattgutscheine werden heftig kritisiert und sollen nach dem Willen der verfassten Apothekerschaft verboten werden, da stellen ihre Industriepartner und Kollegen blinkende Bildschirme auf. Hilfreich ist das nicht.

Der Sinn der Apothekenpflicht ist es gerade, die Arzneimittel in der Apotheke zu halten – und den Verkaufsraum eben nicht beliebig zu verlängern. Bei den Leerpackungen von Klosterfrau war das Problem aus Sicht der Richter, dass der Patient seine Kaufentscheidung ohne den Apotheker trifft – allein durch das Aufeinandertreffen mit Produkt-Dummys auf dem Weg zum HV-Tisch. Daher sei der Kunde weniger empfänglich für die sich anschließende Beratung.

Die Apotheken leben von der persönlichen Beratung, vom Kontakt mit den Menschen. Wer darauf keinen Wert legt und den Preis wichtiger nimmt, der bestellt schon heute im Internet. Wenn die Apotheken aber gerade an dieser Beratung sparen – und nichts anderes tun sie, wenn sie die Beratung „effizienter organisieren“ – dann machen sie sich selbst überflüssig.

Man kennt das aus anderen Bereichen: Man schmökert zwar viel lieber in einer Buchhandlung – seit diese aber großflächig E-Book-Reader, DVDs, Geschenkartikel und Backförmchen verkaufen, sucht man sich das Buch doch bei Amazon. Und wenn einen die Mitarbeiter in Handygeschäften nur an die Hotline verweisen, dann macht man nicht viel mehr als den Laden betreten und wieder verlassen. Die Verkäufer machen sich damit allerdings überflüssig.

Nichts anderes droht den Apotheken. Niemand sollte sich vor technischen Neuerungen verschließen. Man sollte jedoch Vor- und Nachteile genauso abwägen wie die möglichen Folgen. Natürlich ist es ein guter Gedanke, Menschen mit Plakaten oder Bildschirmen dazu zu animieren, ihr Arzneimittel schon einmal vorzubestellen, und in die Apotheke zu holen. Aber wenn es mit dem Online-Bestellen einmal gut klappt, nutzen die Patienten das nächste Mal vielleicht – noch bequemer – vom Sofa aus die Versandapotheke.

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