Kommentar

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Berlin -

Apotheker sind Heilberufler und Kaufmann, Naturwissenschaftler und Sozialarbeiter, Freiberufler und Kassenknecht. Deshalb kann man es ihnen zumuten, in einem Verfahren für eine strenge Preisbindung zu sein, in einem anderen Schlupflöcher zuzulassen. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Maciej Szpunar hat die Apotheker erschreckt: Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht keinen Grund für die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Eine flächendeckende Versorgung ließe sich damit jedenfalls nicht garantieren, ist der Pole überzeugt. In seinen Schlussanträgen hat Szpunar dem EuGH daher empfohlen, EU-Versender von der Preisbindung zu befreien, damit sie Rx-Rabatte gewähren können.

Die Bundesregierung hält davon überhaupt nichts und ihrerseits an der Preisbindung fest. Eine Rx-Preisschlacht könnte aus Berliner Sicht nicht nur etliche Landapotheken dahinraffen; die Regierung will es auch kranken Menschen nicht zumuten, zum Preisvergleich mehrere Apotheken abzuklappern. Auch die Apotheker hoffen darauf, dass der EuGH dem Generalanwalt in diesem Fall nicht folgt und das Preisrecht für alle bestehen bleibt. Denn wenn es für die Holland-Versender fällt, könnte es schnell auch im Inland fallen.

Parallel rumpelt ein anderes Verfahren mit Grundsatzschwere auf dem Weg nach Karlsruhe: Der Bundesgerichtshof (BGH) wird klären müssen, in welchem Umfang Großhändler den Apothekern Rabatte und Skonti gewähren dürfen. Es geht auch hier um die Reichweite, Bedeutung, den Sinn und Zweck der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV).

Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG) hat gestern in zweiter Instanz entschieden, dass Apotheken maximal 3,15 Prozent Rabatt bekommen dürfen – und zwar inklusive Skonto. Damit wäre nicht nur das Geschäftsmodell der beklagten AEP kaputt, sondern auch die allermeisten Konditionen der Konkurrenz unzulässig.

Die Argumentation des OLG dürfte den Apothekern vertraut klingen: Wenn die Großhändler auch ihre 70 Cent rabattieren dürften, würde sich die Belieferung im Einzelfall nicht mehr lohnen. Zuerst würde bei kleineren Apotheken gestrichen, in der Folge würden diese mangels Konkurrenzfähigkeit aussterben, die flächendeckende Versorgung wäre dann in Gefahr.

Was das OLG übersieht: Nicht wenige Apotheken leben schon heute von den Großhandelskonditionen. Wenn diese wegfallen, müssen sie schließen. Damit hätte der Gesetzgeber sein Ziel auch nicht erreicht. Und für den Großhandel ist die Belieferung einer geschlossenen Apotheke auch nicht attraktiver.

Es ist aber noch aus einem anderen Grund nicht schizophren, zwischen dem Skonto- und Boni-Streit zu unterscheiden. Die Preisbindung ist nämlich auf zwei vollkommen verschiedenen Handelsstufen berührt. Zwischen Händlern ist es nicht üblich, dass die Ware bei Übergabe bezahlt wird. Sehr üblich ist im Handel dagegen, dass eine vorfällig beglichene Rechnung skontiert wird. Auch die Großhändler bekommen Skonto vom Hersteller – obwohl es in der AMPreisV hier eindeutig keinen rabattfähigen Preisanteil gibt.

Im Einzelhandel ist es dagegen sehr unüblich, erst später zu bezahlen. An der Eisdiele bekommt niemand 3 Prozent Skonto, wenn er seine Kugel Stracciatella sofort bezahlt. Die Gerichte haben ebenfalls schon entschieden, dass Apotheker ihre Rx-Boni nicht als Skonti tarnen dürfen. Das ist logisch, widerspricht aber nicht der Skonto-Logik zwischen Apotheke und Großhandel.

AEP vermutet zwar den Wettbewerb hinter dem Angriff der Wettbewerbszentrale. Doch als Gewinner könnten sich die Großhändler nicht fühlen, wenn Skonti tatsächlich in ihrer heutigen Form abgeschafft würden: Die Hersteller würden sich ihrerseits sehr schnell auf die AMPreisV berufen – und die Apotheker auf der anderen Seite ihre gesetzlichen Zahlungsziele voll ausschöpfen.

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