Kommentar

Amazon hat keine Partner

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Berlin -

Die Amazon-Apotheke ist da. Genauso wie der Amazon-Biomarkt, die Amazon-Drogerie oder die Amazon-Bäckerei. Alles, was sich irgendwie bewegen lässt, wird nach Hause gebracht – von Händlern, die Profit für Umsatz opfern, und durch Fahrer, die von Ökonomen als neue Armutsschicht bezeichnet werden. Die Plattform-Ökonomie überrollt die wirtschaftliche Realität.

Hand auf‘s Herz: Bestellen Sie gelegentlich bei Amazon? Wenn ja, dann sind Sie einer von 44 Millionen deutschen Stammkunden des US-Konzerns. Vielleicht gehören Sie ja sogar zu jenen 17 Millionen Menschen, die hierzulande Mitglied bei „Prime“ sind – sich also mehr oder weniger fest an Amazon gebunden haben. Und nun ärgern Sie sich als Apotheker, dass der Gigant plötzlich in Ihrem Terrain wildert?!

Das Internet hat uns alle freier und selbstständiger gemacht, vieles unkomplizierter und schneller. Aber es hat uns auch – und dieses Phänomen beschleunigt sich – abhängiger von Internetriesen gemacht. Plattformen sind die neuen virtuellen Innenstädte – im Namen des Nutzers gehen ganze Branchen reihenweise in die Knie. Versandhändler kämpfen um die Gunst von Google, Verlage gegen die ruinösen Provisionen von Apple. Hoteliers haben es mit den billigen Betten von Airbnb zu tun, Taxizentralen mit den privaten Fahrern von Uber. Selbst Handwerker und Putzkräfte werden heutzutage nicht mehr empfohlen, sondern von Portalen vermittelt. Weil es bequemer ist. Und meistens auch nicht teurer.

Denn den Aufwand – also die Kosten – für die Suche übernimmt die Plattform. Und diese kann sie einfach an die Anbieter weiterreichen. Je gefestigter das Monopol, desto härter die Konditionen. Mit seinen Sozialbeiträgen steht man als „Partner“ der Plattformen sowieso alleine da. Die Bequemlichkeit der Menschen ist ein immenses Pfand. Das war schon immer so, der Plattform-Kapitalismus ist nur die digitale Version davon.

Apotheker haben es also neuerdings nicht mehr nur mit DocMorris, sondern auch mit Amazon zu tun. Auf den ersten Blick müssen ausgerechnet die Apotheken vor „Prime Now“ keine Angst haben: In keiner anderen Branche ist es so selbstverständlich, dass Einzelhändler Ware nach Hause liefern. Oft kennt sogar der Bote den Kunden persönlich und spendiert ein tröstendes Wort, und in der Regel bezahlt der Apotheker den Spaß. Nur: Die Bequemlichkeit der „Digital Natives“ beginnt nicht bei der Anfahrt oder Parkplatzsuche.

Amazon verfolgt ein klares Ziel: Den Nutzer nie wieder ziehen zu lassen. Alles unter einem digitalen Dach. Was offline in Gestalt der riesigen Karstadt-Warenhäuser gescheitert ist, baut der Konzern online erfolgreich nach. Die Kundenzufriedenheit wird dabei unmissverständlich über das Geschäftsverhältnis zu den Lieferanten gestellt. Wer nicht liefern kann, fliegt raus. Und wer rausfliegt, wird es in Zukunft schwer haben mit dem Überleben. Wer Amazon-Kunde ist, kauft bei Amazon, auch wenn er weiß, dass der Laden um die Ecke demnächst schließen muss. Auch die Händler spielen mit und füttern mit ihren Provisionen den digitalen Leviathan, der es mit dem Zahlen von Steuern nicht so hat.

Der Vorstoß in den Apothekenmarkt lag nahe und kommt sogar später als erwartet. Die Produkte sind überall dieselben und eignen sich aufgrund von Größe, Format und Sortiment hervorragend für den Versand. Jetzt bleibt noch zu klären, inwiefern die Vermittlung arzneimittel- und apothekenrechtlich haltbar ist. Falls ja, wird die Apotheke vor Ort nicht als Gewinner aus der Sache hervorgehen. Die Plattform bestimmt die Regeln, lenkt die Warenströme, diktiert die Preise. Experten wie der Netzökonom Dr. Holger Schmidt warnen vor den Folgen: Mit jeder über eine Plattform abgewickelten Transaktion werde Deutschland ein Stück Wohlstand entzogen.

Und so ist es verständlich, dass den wenigsten Apothekern auf diese Übermacht eine Antwort einfällt. Apps ohne uns, beschloss die ABDA im vergangenen Jahr. Allzu lange hat aber auch der Rest der Branche geschlafen: Zu gering war das Interesse der Kunden an Konzepten wie Dedendo oder Ordermed. Amazon-CEO Jeff Bezos geht ganz anders an die Sache heran: Wer unternehmerisch erfolgreich bleiben wolle, müsse künftige Kundenbedürfnisse antizipieren oder sogar erzeugen, verriet er vor Kurzem sein Erfolgsgeheimnis.

Das ist freilich nur die halbe Wahrheit. Denn wenn ein Geschäft sich nicht skalieren lässt, ist es für Internetkonzerne nicht attraktiv. Erst wenn die Infrastruktur steht und die Konkurrenz aus dem Feld geschlagen ist, greifen sie nach dem ganzen Kuchen. „Prime Now“ gibt es in München und Berlin. In Mecklenburg-Vorpommern werden die Menschen auch in Zukunft auf ihre Päckchen warten müssen – zumindest solange, bis die Drohnen fliegen. Ob die Entscheidung, wo das Leben in Deutschland lebenswert ist, alleine Amazon überlassen werden sollte, ist eine Frage, die sich die Gesellschaft stellen muss.

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