Apotheken abzumahnen hat sich zu einem verhängnisvollen Volkssport entwickelt. Manchmal kommt es einem vor, als hätte sich eine eigene Branche in der Branche entwickelt: Apothekentestkäufer als Berufsbild, oder gleich Abmahnanwalt mit Spezialisierung Offizin/Webshop. Es sind mitunter unwürdige Scharmützel, in denen sich die Pharmazeuten wegen Kinkerlitzchen schlagen müssen. Da ist es gut, wenn allzu unlautere Angreifer von den Gerichten zurückgepfiffen werden. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Natürlich machen auch Apotheker Fehler, manchmal aus Achtlosigkeit, manchmal mit Absicht und Gewinnstreben. Deswegen ist es gut, dass sich die Marktteilnehmer gegenseitig kontrollieren. Das Wettbewerbsrecht sieht dafür das niedrigschwellige Mittel der Abmahnung vor. Entweder einigen sich die Konkurrenten dann, oder man lässt die Sache doch von einem Gericht klären. So weit, so gut.
Aber Apotheken erhalten plötzlich auch Abmahnungen, weil irgendein Hersteller eine kleine, aber streng juristisch notwendige Angabe zu seinem Produkt vergessen hat. Oder weil die Health-Claim-Verordnung bestimmte Aussagen auf der Verpackung nicht abdeckt. Rechtlich liegt der Fall klar: Die Apotheken bringen das Präparat in den Verkehr, sie haften damit als „Störer“ für jeden Verstoß des Herstellers.
Wie soll ein Kaufmann für eine Datenbank mit mehreren zehntausend Produkten geradestehen, die alle zwei Wochen aktualisiert wird? Hier wäre ein Machtwort des Bundesgerichtshofs (BGH) mehr als wünschenswert. Der Apotheker sollte erst dann haften, wenn er wissentlich unzulässige Produkte vertreibt, also nach erstmaliger Ermahnung. Nur wird kein Apotheker wegen eines Randproduktes wie „Himalaya-Salz“ die Kosten und Mühe eines BGH-Verfahrens auf sich nehmen. Das wäre eher die Sache eines großen Herstellers, einen Musterprozess für die eigenen Kunden durchzufechten.
Bis das geschieht, sind die Apotheker vielen Angriffen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Es sei denn, diese werden offensichtlich aus niederen Motiven ausgeführt. Juristisch spricht man dann von einem Rechtsmissbrauch. Die Hürden dafür sind bewusst hoch gehalten, damit die wettbewerbsinterne Kontrolle funktioniert.
Doch immer wieder bewegen sich Abmahnungen gegen Apotheken zumindest sehr nah an der Grenze: Da provozieren Testkäufer mit konstruierten Notfallgeschichten Falschberatungen in der Offizin. Oder es werden von den Angreifern eigens Präparate gelistet, sogar neue Firmen gegründet, nur um ein Wettbewerbsverhältnis zu konstruieren. Spätestens, wenn die Angreifer offensichtlich lügen, sei es in Bezug auf eine vorhandene Versanderlaubnis oder eigene Umsätze, begeben sie sich auf sehr dünnes Eis.
Es sind nur punktuelle Eindrücke, aber man hat das Gefühl, dass die Gerichte in diesem Bereich genauer auf einen möglichen Rechtsmissbrauch schauen. Vielleicht müssen Protagonisten aus dem Abmahnlager mal eine juristische Abreibung kassieren, damit wieder Vernunft einkehrt. Das wäre gut für alle: den Wettbewerb, die Würde des ehrbaren Kaufmanns und nicht zuletzt für die Apotheker.
APOTHEKE ADHOC Debatte