In der Pharmaindustrie gibt es jedes Jahr mehrere „Megafusionen“, auch im globalen Pharmahandel werden die Einheiten immer größer. Eine Konsolidierung erfährt – trotz Fremd- und Mehrbesitzverbot – sogar der Apothekenmarkt: In der Nische Versandhandel werden immer weniger Mitspieler immer größer. Wie überall stehen den Synergieeffekten erhebliche Risiken gegenüber. Ein Kommentar von Alexander Müller.
Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist gut zehn Jahre nach seiner Einführung etabliert: Nach Zahlen der ABDA verfügen rund 3000 Apotheken über eine Versandhandelserlaubnis. Doch die Zahl täuscht: Die meisten amtlichen Versender haben nur zur rechtlichen Absicherung ihres Botendienstes eine Erlaubnis beantragt. Lediglich 150 Apotheken betreiben nach Schätzungen den Arzneiversand aktiv und nur jede zehnte davon erwirtschaftet überhaupt nennenswerte Umsätze.
Aufgrund des enormen Preisdrucks ist der Versandhandel zu einem Massengeschäft geworden, der sich erst ab einer kritischen Größe lohnt. Das ist nicht verwerflich, sondern ein Grundsatz jedes Handels. Auch eine Apotheke vor Ort benötigt eine bestimmte Anzahl an Patienten und Ärzten in ihrer Umgebung zum Überleben.
Problematisch wird es im Gesundheitsbereich allerdings, wenn das Geschäft ausschließlich auf Masse ausgelegt ist und sich auf der Startseite des Versenders nur noch Schmerzmittel und Nasenspray in den Angeboten finden. Natürlich gibt es viele seriöse Versender und „2 für 3-Angebote“ auch in preisaggressiven Vor-Ort-Apotheken, aber die OTC-Rabattschlacht findet insgesamt mehr im Netz statt, was im Übrigen in jeder Branche so ist.
Preisvergleichsportale erhöhen den Druck auf die Anbieter, wenn Google tatsächlich einsteigt, dürfte es noch schlimmer werden. Eine Differenzierung über Leistung ist kaum möglich, die Sortimente sind generisch, die Kundschaft höchstens aus Gewohnheit treu. Bekanntheit scheint die Währung zu sein, auf die Versender derzeit setzen, um der Preisspirale zumindest etwas zu entkommen.
Kunden zu gewinnen, wird schwerer, verlieren kann man sie gewohnt einfach. Denn Versender müssen heute mehr als vor zehn Jahren bestimmte Leistungen im wahrsten Sinne des Wortes liefern. Von großen Versandkonzernen anderer Branchen gesetzte Standards werden vom Kunden vorausgesetzt. Niemand wartet mehr als drei Tage auf sein Päckchen – was bei Arzneimitteln auch in der Vergangenheit wenig sinnvoll war.
Beide Entwicklungen sind für „normale“ Apotheken unattraktiv, die ihr Versandgeschäft eher nebenher betreiben. Weil ein Onlineshop in Zeiten von vogelfreien Abmahnanwälten zudem finanzielle Risiken birgt, schalten viele kleinere Apotheken ab.
Hinzu kommen Fusionen: Unter den überregional bekannten Versendern kommt es zu Übernahmen. Das ist vor allem für den Käufer sehr bequem, der eigentlich nur die Internetadresse und den Kundenstamm übernehmen muss. Da es sich gleichzeitig nicht mehr lohnt, heute noch in den Markt einzusteigen, sinkt die Zahl der Anbieter zwangsläufig.
Und davon profitieren die Großen. Da es kein Mehrbesitzverbot für Apotheken-Domains gibt, droht den Verbrauchern auf lange Sicht ein Pseudowettbewerb: Die Top 10 Angebote zu Voltaren bei Medizinfuchs stammen dann von zwei Anbietern, und Schnäppchen sind immer relativ. Bis dahin ist es sicherlich noch ein weiter Weg, aber für die „hauptberuflichen“ Versender sind das gute Aussichten. Wenn die Rx-Preisbindung das EuGH-Verfahren überlebt, wäre die Konsolidierung ein Weg aus der OTC-Rabattschlacht.
Erlauben die Luxemburger Richter Rx-Boni dagegen, dürfte der Versandhandel seine Marktanteile zwar deutlich steigern können. Gleichzeitig würde aber der Druck in der Branche weiter wachsen. Die Tendenz zum Massengeschäft würde einer weiteren Konzentration Vorschub leisten.
Welche Folgen Größe für die Versorgung hat, wurde bei der Sanicare-Pleite 2012 deutlich. Bei der Belieferung zahlreicher Pflegeheime und Krankenhäuser mussten quasi über Nacht Kollegen einspringen. Hinzu kommen Kollateralschäden etwa beim Kammerbeitrag. Auch die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich schwierig.
Vor dieser Herausforderung steht jede größere Versandapotheke, die den Besitzer wechseln soll. Ohne Erfahrung in diesem Bereich wird sich kaum ein Apotheker in dieses Wagnis stürzen – wenn er es überhaupt finanzieren kann. Deutsche Versandapotheken sind gegenüber der niederländischen Konkurrenz hier mit Blick auf das Fremdbesitzverbot klar im Nachteil. Denn dort trägt das Kapital seit jeher einen Teil der Verantwortung.
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