Graumarktgeschäfte

Klosterfrau stolpert über Bestelllisten Patrick Hollstein, 27.06.2011 11:58 Uhr

Berlin - 

Kurzläufer für Nordkorea: Was der Spiegel zu den Geschäften der Firma „Multi Trade International“ (MTI) enthüllt hat, könnte die ganze Branche erschüttern. Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft Verden nur gegen den Pharmakonzern Sanofi und Verantwortliche der Firma Floki sowie gegen den Einkaufsmanager des Vereins „Viva Westfalen hilft“ - wegen des Verdachts auf Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Doch nach Spiegel-Informationen brachten zahlreiche Pharmafirmen Ware mit kurzem Verfalldatum über MTI in den deutschen Markt. Weil die Produkte als angebliche Hilfslieferungen mit Rabatt abgegeben wurden, drohen arzneimittelrechtliche Konsequenzen.

Beliefert wurde MTI nicht nur durch Sanofi, sondern maßgeblich auch durch den Kölner OTC-Hersteller Klosterfrau. Als Vermittler trat dabei Floki-Chef Erich Dambacher auf, ehemals Cheflobbyist von Sanofi, der laut Spiegel 2004 den ersten Liefervertrag mit MTI unterzeichnet hatte. Während Sanofi seitdem Arzneimittel für mehr als 95 Millionen Euro an MTI geliefert haben soll, liefen laut Bericht über Floki/Klosterfrau Medikamente im Wert von 56 Millionen Euro.

Der Vertrag des OTC-Herstellers aus dem Jahr 2006 gleicht dabei dem des Pharmakonzerns bis hin zu den Rechtschreibefehlern. Klosterfrau sicherte zu, eigene Präparate, aber auch die anderer Hersteller mit einem Abschlag von 21 Prozent „für humanitäre Hilfssendungen“ zu liefern. Tatsächlich verkaufte MTI laut Spiegel mit einem Nachlass von 7 Prozent an Pharmagroßhändler weiter, die dann bundesweit Apotheken belieferten. „Das wussten auch alle Beteiligten“, zitiert der Spiegel MTI-Chef Carl-Heinz Richter.

Noch in der vergangenen Woche versicherte Klosterfrau-Chef Friedrich Neukirch, als reiner Logistikpartner ausschließlich Aufträge für andere Firmen abgewickelt zu haben. Tatsächlich finden sich auf den Floki-Bestelllisten Firmen wie Abbott (Afonilum, Bazoton, Isoptin, Klacid, Reductil, Rytmonorm), Essex (Aerius, Ecural, Keimax, Lotricomb, Nasonex), Krewel-Meuselbach (Acetabs, Ambroxol, Mallebrin, Texx), Mibe (Corangin, Dociton, Flotrin), Nycomed (Alvesco, Ebrantil, Euphylong, Pantozol, Rifun), Organon (Cerazette, Lovelle, Ovestin, Remergil) und Riemser/Fatol (Vancomycin, Dapson, Eremfat, Isozid).

Doch auch Klosterfrau-Produkte mit einer Restlaufzeit von 13 Monaten wurden laut Spiegel über MTI gehandelt: Ameu, Anginetten, Bronchicum, Broncholind, Carnigen, Cholagogum, Contramutan, Enelbin, Eryfer, Hepar SL, Jarsin, Kaveri, Kwai, Limptar, Lipostabil, Melrosum, Mg5, Monapax, Nasic, Neo Angin, Sedonium, Soledum, Traumanase und Vitagerin.

Bislang war bei Klosterfrau niemand für eine Stellungnahme zur tatsächlichen Faktenlage zu erreichen. Dabei dürfte ausgerechnet die Vertriebsfirma für ihre eigenen Lieferungen keine arzneimittelrechtlichen Probleme zu erwarten haben: Einen einheitlichen Abgabepreis müssen laut Arzneimittelgesetz nur Hersteller verschreibungspflichtiger Arzneimittel sicherstellen. Vielleicht interessieren sich die Ermittler aber in Kürze doch noch für die Geschäfte des verschwiegenen Kölner Traditionsunternehmens. „Franzbranntwein für Kim Jong Il“, fragte schon der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.