Auseinandersetzungen zwischen Apothekern können auch mal erbittert geführt werden. In Sachsen-Anhalt flogen unlängst die Fetzen, zwei Kollegen streiten um die Belieferung einer Klinik. Es ging um Kick-backs und Rabatte und um allerhand schmutzige Wäsche. Der Fall ging vor Gericht – und beide Parteien gehen als Verlierer vom Platz.
Das Gesundheitszentrum Bitterfeld/Wolfen hatte im Juni 2015 die Belieferung mit Arzneimitteln ausgeschrieben, dazu gehörten auch Zytostatikazubereitungen sowie alle in Zusammenhang stehenden Dienst- und Beratungsleistungen. Mit 420 Betten auf neun Stationen, zwei Tageskliniken mit 30 Plätzen, einem Seniorenpflegeheim – das vom Auftrag allerdings ausgenommen war – und einem MVZ ist der gemeinnützige Betrieb einer der größeren in der Region. Jährlich werden rund 20.000 Patienten stationär und 30.000 Patienten ambulant behandelt.
Der Auftrag hatte ein Bruttovolumen von 1,75 Millionen Euro pro Jahr und sollte ab 1. Januar 2016 für zwei Jahre starten. Ein Verlängerung um weitere 24 Monate war vorgesehen. Die Apotheke durfte maximal ihre eigenen Einkaufspreise in Rechnung stellen, abzüglich gewährter Rabatte. In der Bieterinformation teilte das Klinikum mit, dass nur die „direkt rechnungswirksamen, also direkten Rabatte“ weitergereicht werden sollten. „Bonus- oder Kick-Back-Zahlungen sind nicht rechnungswirksam und somit nicht gemeint und müssen deswegen nicht weitergereicht werden.“
Bis zum Stichtag gingen vier Gebote ein. Den günstigsten Preis bot die Stern-Apotheke am Hasselbachplatz in Magdeburg, gefolgt von der Waisenhaus-Apotheke in Halle. Letztere hatte den Standort bereits seit Jahren beliefert und eigentlich gehofft, im Geschäft zu bleiben. Doch stattdessen sollte der Zuschlag nun an den Konkurrenten aus der Landeshauptstadt gehen.
Nun versuchte die unterlegene Apotheke, den Zuschlag anzugreifen. Sie rügte die Überschreitung der zulässigen Fahrtzeit von einer Stunde. Außerdem sei von einer Marktverdrängungsabsicht auszugehen: Die Apotheke aus Magdeburg gehöre einem kleineren und damit teureren Einkaufsverbund an, sodass von einem Unterkostenangebot ausgegangen werden müsse. Ferner wurden die erforderlichen Mindestumsätze und die Tatsache, dass die Apotheke einen Fachapotheker für klinische Pharmazie vorweisen könne, angezweifelt.
Die Klinik bat ihren Lieferanten in spe um eine Stellungnahme, parallel wurde die Waisenhaus-Apotheke aufgefordert, Details zur Kalkulation zu liefern. Aus Magdeburg kam nur die Antwort, dass man die Fahrtzeit einhalte und aufgrund der Verschwiegenheitspflichten gegenüber den Herstellern keine Angaben zu den Preisen machen könne. Die Apotheke aus Halle schickte immerhin einen Auszug aus einer Rechnung mit handschriftlicher Ergänzung des Mengenrabatts. Außerdem wurde das Schreiben eines Herstellers vorgelegt, der die Bezugspreise bestätigte.
Weil die Apotheke aus Magdeburg auch auf erneute Nachfrage keine Angaben zu den Abrechnungspreisen machen wollte, sondern stattdessen die Nachfragen als nicht vergaberechtskonform rügte, erhielt der Konkurrent aus Halle schließlich den Zuschlag.
Doch die Apotheke hatte ebenfalls einen Fehler gemacht, indem sie in ihrem Schreiben an die Klinik auf ihre Verdienste bei der bisherigen Belieferung hinwies: Erwähnt wurde die personelle und finanzielle Unterstützung bei den Hochwasserkatastrophen 2003 und 2013, als unter anderem „benötigte Arzneimittel ohne Berechnung bereitgestellt wurden“. Und außerdem habe man doch finanzielle Zuwendungen „auch bei Patiententagen durch Übernahme der Kosten für Organmodelle und ebenso bei der Anschaffung eines Kraftfahrzeuges“ geleistet.
Die Vergabekammer, vor der der Streit schließlich landete, sah darin einen Versuch der Beeinflussung und derart schwere Verfehlung, dass sie nicht nur anordnete, das komplette Verfahren aufzuheben und die Ausschreibung zu wiederholen, sondern auch vorgab, die Waisenhaus-Apotheke komplett für die Belieferung zu sperren. Der in diesem Verfahren hochgekochte Vorwurf der versuchten Bestechung wurde später aber wieder einkassiert.
Nun musste sich das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) mit den streitenden Apothekern befassen, die keine Gelegenheit ausließen, ordentlich schmutzige Wäsche zu waschen und der Gegenseite jede noch so kleine angebliche Verfehlung unter die Nase zu reiben. Die Richter sahen vor allem schwerwiegende und nicht heilbare Verstöße in der Ausschreibung. Die Apotheken in Magdeburg hätte nicht wissen können, dass die Fahrtzeit nicht als Orientierungswert zu verstehen sei und dass die Überschreitung zum Ausschluss führen würde. Auch bei der Kalkulation hätten die Bieter nicht wissen können, dass sie Boni und Kick-Backs nicht nur nicht weiterreichen müssten, sondern auch nicht dürften.
Der Ausschluss der Waisenhaus-Apotheke von künftigen Verträgen ging laut OLG zu weit. Die versuchte Beeinflussung der Klinik sei zwar ein grober Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz und damit unlauter. Die Vergabestelle werde aber im neuen Verfahren eigenständig zu prüfen haben, ob die Apotheke zur Abgabe eines Angebots geeignet sei.
Noch gibt es keine neue Ausschreibung, sodass man in Halle ganz zufrieden sein kann. Denn einstweilen wird die Klinik von ihrem alten Vertragspartner weiterbeliefert. Die Waisenhaus-Apotheke gehört zu den größeren Klinikversorgern in der Region.
Die Stern-Apotheke hatte erst vor Kurzem vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg in einem anderen Verfahren gewonnen. Dabei ging es um die Belieferung eines Krankenhauses im 93 Kilometer entfernten Salzwedel, die die Kammer untersagen wollte. Die Richter hielten der Apotheke zugute, dass sie aufgrund der nahe gelegenen Alliance-Niederlassung die Lieferung „ohne weitere zeitliche Verzögerung angehen“ könne, während sich jede näher gelegene Apotheke das Medikament erst besorgen müsse. Die Stern-Apotheke ist seit 2002 in der Krankenhausversorgung aktiv und mit zwei größeren und einem kleineren Klinikum einer der größeren Anbieter. In Irxleben an der A2 gibt es ein großes Logistikzentrum, die Apotheke kauft über den Biburger Kreis ein.
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