Stefano Pessina hat sein Imperium neu sortiert: Walgreens Boots Alliance (WBA) ist der Konzern der Apothekenketten. Das Großhandelsgeschäft wurde komplett an AmerisourceBergen (ABC) übertragen. Doch es gibt Ausnahmen. Ein kurzer Wegweiser für das Imperium von Stefano Pessina.
Anfang des Jahres hat WBA nahezu das gesamte Großhandelsgeschäft an ABC übertragen; im Gegenzug gab es 6,5 Milliarden Dollar in bar beziehungsweise Aktien. WBA ist mit 30 Prozent größter Aktionär – Pessina hatte sich den Zugriff auf den Großhändler schon 2015 kurz nach der Fusion von Alliance Boots und Walgreens gesichert.
Im Grundsatz gehört also das Kettengeschäft zu WBA und das Großhandelsgeschäft – samt der Kooperationen wie Alphega –zu ABC.
Im Mittleren Osten (Vereinigte Arabische Emirate, Saudi Arabien, Bahrain, Oman und Qatar) sowie in Indonsien wird Boots als Franchisekonzept angeboten.
Außerdem gehört die Kosmetikmarke No.7 zu WBA, genauso wie verschiedene Gesundheitsunternehmen in den USA.
ABC hat auch weitere Geschäftsbereiche übernommen, die zu WBA gehörten, darunter die Produktmarken Almus und Alvita, die Logistiksparten Alloga und Skills in Healthcare sowie der Gesundheitsdienstleister Alcura.
Doch Ausnahme bestätigen die Regel, und so wurde die Trennung Großhandel und Apotheke nicht überall gleich stringent durchgezogen:
Im vergangenen Jahr hatten WBA und McKesson ihre Aktivitäten hierzulande – Gehe und Alliance Healthcare Deutschland (AHD) – in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht. Am Joint Venture hat sich WBA eine Mehrheit von 70 Prozent gesichert. Das Paket bleibt auch beim Kettenkonzern und wurde nicht an ABC übertragen.
Das Großhandelsgeschäft in Pessinas Heimatland spielt schon immer eine besondere Rolle und war in den vergangenen Jahren schon einmal erst aus- und dann wieder eingegliedert worden. Auch von der aktuellen Transaktion ist der Geschäftsbereich nicht betroffen: Er bleibt bei WBA.
In den Niederlanden ist der Konzern als Großhändler deutlich erfolgreicher als mit eigenen Apotheken: Schon um die Jahrtausendwende war Boots im ersten Anlauf gescheitert; heute gibt es gerade einmal 60 Filialen. Als Großhändler teilt Alliance sich den Markt dagegen faktisch mit Brocacef (McKesson/Phoenix). Daher wurde das Gesamtpaket an ABC übertragen – einschließlich Apotheken.
Auch in Schweden hatte sich der Konzern schwer getan: Nach der Liberalisierung sollte die Marke Boots als Franchisesystem etabliert werden, doch zwei Jahre später zog sich der Konzern mangels Erfolg zurück. Jetzt gibt es einen neuen Anlauf: Gemeinsam mit der Apothekergruppe Farmacevtforetagarna soll ein Gemeinschaftsunternehmen aufgebaut werden, das selbstständige Apotheker als Franchisenehmer gewinnen soll. WBA hält 51 Prozent der Anteile, auch in diesem Bereich ändern sich die Verhältnisse auf Konzernebene nicht.
In Norwegen hat der Großhandel vor allem eine Aufgabe: die eigenen Kettenapotheken zu beliefern. Nach der Liberalisierung im Jahr 2001 hatten die drei paneuropäischen Konzern den Markt komplett unter sich aufgeteilt. Boots wurde daher zusammen mit Alliance an ABC übertragen – womöglich schielt Pessina schon auf die Apotheken von McKesson, die Phoenix aus kartellrechtlichen Gründen nicht mit übernehmen durfte.
In China ist WBA an den Großhändlern Guangzhou Pharmaceuticals Corporation und Nanjing Pharmaceutical Company sowie an der Apothekenkette Sinopharm Medicine Holding GuoDa Drugstores beteiligt. Beide Engangements werden weiter bei WBA als Finanzbeteiligung geführt.
Die Ursprünge des weltgrößten Apothekenkonzerns reichen bis ins Jahr 1973 zurück. Damals hängte Pessina seinen Job beim Marktforschungsunternehmen AC Nielsen an den Nagel und stieg beim Pharmagroßhandel seines Vaters in Neapel ein. Eigentlich hatte der heute 80-Jährige Nukleartechnik studiert, doch das Image der Kernenergie verschlechterte sich in jenen Jahren zusehends. Also fasste Pessina ein neues Lebensziel ins Auge: Nicht weniger als der König der Arzneimittel wollte er werden.
1977 gründete er die Alleanza Farmaceutica mit zunächst zehn Niederlassungen. 1982, Pessina war noch ein regionaler Anbieter, gründete die Apothekerin Ornella Barra in Genua den Großhändler Di Pharma. Nach der Fusion 1986 wurde Alleanza restrukturiert. Jeden Monat eröffnete eine neue Niederlassung. Ab 1988 kooperierte Alleanza mit verschiedenen Großhändlern in Frankreich. Aus dem Verbund ERPI wurde 1991 Alliance Santé.
1997 folgte die Fusion mit dem britischen Großhändler UniChem. Im Sommer 2005 lud Pessina die Chefs der Drogeriekette Boots auf seine Yacht vor Sardinien. Ein Jahr später stand der Deal: Pessina, Barra und Boots-Chef Richard Baker fusionierten die Unternehmen. 2010 wurde die Anzag übernommen und in Alliance Healthcare Deutschland umbenannt. Im Sommer 2012 fädelte Pessina die Fusion mit der US-Apothekenkette Walgreens ein. Zum Jahreswechsel 2014/15 stand der Gemeinschaftskonzern, kurz darauf holte Pessina den Großhändler ABC an seine Seite.
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