Zugelassen, aber nicht verkehrsfähig

Keine Generika: Tecfidera ist nicht Fumaderm

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Berlin -

Die Generikahersteller müssen sich wohl noch gedulden, bis sie Präparate mit Dimethylfumarat auf den Markt bringen können. Das Verwaltungsgericht Köln (VG) lehnte in mehreren Fällen einen Antrag auf sofortige Vollziehung der Zulassungsbescheide ab. Im Prozess ging es auch um die Frage, ob das Original Tecfidera nicht lediglich eine Variante von Fumaderm und der Unterlagenschutz damit schon seit vielen Jahren abgelaufen sei.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte die Zulassungen in nationalen Verfahren mit Deutschland als Referenzstaat zwar erteilt; sie sind jedoch Gegenstand eines vom Originator angestrengten verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzverfahrens und die Arzneimittel damit derzeit nicht verkehrsfähig. Nun wollten mehrere Generikahersteller die Erlaubnis zum Inverkehrbringen gerichtlich durchsetzen.

Doch das VG sah nach der summarischen Prüfung rechtliche Bedenken: Denn laut § 26b Arzneimittelgesetz (AMG) darf die Zulassung zwar nach acht Jahren erteilt werden, das Generikum jedoch frühestens zehn Jahre nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel in den Verkehr gebracht werden. Wurde die Originalzulassung um ein Anwendungsgebiet von bedeutendem klinischem Nutzen erweitert, sind es sogar elf Jahre.

Damit stellt laut VG die zwei- beziehungsweise dreijährige Vermarktungssperre nicht nur eine patent- oder wettbewerbsrechtliche Frage dar, sondern „ein eigenständiges öffentlich-rechtliches Verbot des Inverkehrbringens, das ausschließlich im Arzneimittelrecht wurzelt“.

Dass der Unterlagenschutz für Tecfidera erst im Februar 2024 beziehungsweise laut Durchführungsbeschluss der EU-Kommission sogar erst im Mai 2025 endet, habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) im März bestätigt – und dabei auch die Idee abgeräumt, dass Dimethylfumarat (DMF) und Monoethyfumarat (MEF) zu ein- und derselben Globalzulassung gehörten.

Identität der Wirkstoffe?

Diese Einschätzung teilt das VG: Unabhängig von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer „begründbaren Vergleichbarkeit oder Identität der Wirkstoffe“ sei Tecfidera kraft eigener Zulassung als eigenständiges Arzneimittel zu betrachten. „Die Erteilung einer Zulassung [steht] im Unionsrecht ebenso wenig wie im nationalen Recht unter dem laufenden Vorbehalt eines sich wandelnden wissenschaftlichen Erkenntnisstandes. Sie bleibt vielmehr auch für den Unterlagenschutz beachtlich, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist.“

Ob auch die gänzlich unterschiedlichen Anwendungsgebiete – Schuppenflechte vs. Multiple Sklerose – diese Auffassung stüzten, wollte das VG nicht weiter ausführen. „Dafür spricht, dass die Aufwendungen zur Erstellung der Zulassungsunterlagen, namentlich zur Wirksamkeit des Arzneimittels, deren Refinanzierung der Unterlagenschutz letztlich dient, für Fumaderm wie für Tecfidera jeweils gesondert angefallen sein dürften.“

Gegen diese Entscheidung können die betroffenen Firmen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Münster einlegen.

Vor zehn Jahren hatte Biogen für sein damals wichtigstes Medikament einen erweiterten Patentschutz in Europa erhalten. Bis Mitte 2022 konnten Generikafirmen nicht aktiv werden, dann traten Hexal, Neuraxpharm, Mylan und Zentiva an: Die Generikahersteller brachten Präparate in den Dosierungen 120 mg und 240 mg auf den Markt.

Schreiben an Apotheken

Der Originalhersteller wollte die Konkurrenz stoppen, doch das Landgericht Düsseldorf lehnte im Oktober zunächst einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Neuraxpharm ab. Seitdem läuft der Rechtsstreit. Im Abda-Artikelstamm blieben die Generika gelistet, auch über den Großhandel waren sie noch beziehbar. Ende Mai erhielten die Apotheken ein Schreiben von Biogen, in dem sie dazu aufgefordert wurden, die Generika nicht mehr an ihre Patient:innen abzugeben. Doch der GKV-Spitzenverband widersprach, auch im Namen des Deutschen Apothekerverbands (DAV).

Dimethylfumarat beeinflusst das Immunsystem der Patienten, indem es ein bestimmtes Protein – den sogenannten NFE2-related Factor 2 – aktiviert. Der Faktor ist für den Abbau beschädigter Eiweiße sowie Stickstoffoxid zuständig. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Durchfall, Übelkeit und Bauchschmerzen. Bereits vor der Anwendung bei MS wurde der Stoff bei Psoriasis verabreicht.

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