Deutsche Apotheken müssen sich an die Rx-Preisbindung halten und dürfen ihren Kunden auch keine Geschenke auf Rezept spendieren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig im Streit um Kuschelsocken entschieden. Dass die ausländische Konkurrenz sogar Geldprämien von bis zu 30 Euro pro Rezept auslobt, ändert daran – derzeit jedenfalls – nichts. Denn egal wie groß die Konzerne und wie hoch deren Rabatte – solange der Marktanteil gering sei, sei nicht von einer Inländerdiskriminierung auszugehen.
Laut BVerwG verstoßen Apotheken gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung, wenn sie ihren Kunden für den Erwerb eines rezeptpflichtigen Arzneimittels eine Sachzuwendung versprechen und gewähren. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Preisvorschriften nach § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) und Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bestünden auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016 zu den Boni von DocMorris keine durchgreifenden Bedenken.
Obwohl das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht auf Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland anwendbar ist und diese daher im Falle des Versands an Kunden in Deutschland Rabatte und Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren dürfen, werden laut BVerwG die inländischen Apotheken, für die die Arzneimittelpreisbindungsvorschriften weiterhin gelten, nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzt.
„Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienen vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls. Sie sind geeignet, einen Preiswettbewerb zwischen den inländischen Apotheken zu verhindern und so das Ziel des Gesetzgebers zu fördern, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen“, so die Richter in Leipzig.
Die Preisbindung erweise sich auch nicht wegen ihrer Nichtgeltung für ausländische EU-Versandapotheken als unverhältnismäßig: „Angesichts des bislang geringen Marktanteils der ausländischen Arzneimittelversender an der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ist die Preisbindung für die inländischen Apotheken weiterhin zumutbar.“
Ähnlich hatte Anfang 2019 der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Erst wenn der Marktanteil der ausländischen Versandapotheken und damit ihr Einfluss auf das hiesige Marktgeschehen zu groß werde, lasse sich der Festpreis auch national nicht mehr begründen, entschieden die Richter in Karlsruhe. Bis es so weit sei, müssten sich deutsche Versandapotheken aber weiter an die Preisbindung halten, so die Entscheidung zum Bonusmodell von Apotal. Später verboten die Richter auch Brötchen-Gutscheine sowie Ein-Euro-Gutscheine.
In Leipzig ging es um eine Klage zweier Apothekerinnen aus dem westfälischen Coesfeld gegen die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). Sie hatten im November 2013 und im Januar 2014 Werbeflyer mit Gutscheinen herausgegeben, die bei Abgabe eines Rezeptes gegen eine Rolle Geschenkpapier beziehungsweise ein Paar Kuschelsocken eingelöst werden konnten. Die AKWL untersagte ihnen durch Ordnungsverfügung vom 1. April 2014, „gekoppelt mit dem Erwerb von verschreibungspflichtigen und/oder sonstigen preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile wie z.B. eine Rolle Geschenkpapier, ein Paar Kuschelsocken oder Gutscheine hierfür zu gewähren oder gewähren zu lassen sowie dafür zu werben oder werben zu lassen“. Zur Begründung verwies sie auf ihre Berufsordnung, die es den Apothekern verbiete, preisgebundene Arzneimittel unter Gewährung von Rabatten oder sonstigen geldwerten Vorteilen an ihre Kunden abzugeben.
Daraufhin klagten die Frauen. Jedoch ohne Erfolg: Bereits im Juni 2014 hatte das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg entschieden, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe. Damit wollten sich die Bären-Apotheken aber nicht zufrieden geben. Der erste Fall ging somit im Eilverfahren vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen – die Richter bestätigten allerdings die Entscheidung zugunsten der AKWL. Die Geschenke hätten mit 50 Cent zwar einen geringen Wert, so das OVG. Trotzdem ließen sie den Kauf günstiger erscheinen, seien ein geldwerter Vorteil und somit ein Verstoß gegen die Preisbindung.
Das VG Münster hatte sich später im Hauptsacheverfahren wieder mit dem Fall befasst und klargestellt, dass es den früheren Ausführungen nichts hinzuzufügen habe. Auch das OVG blieb bei seiner vorherigen Position.
Derweil hat der BGH in einem anderen Verfahren dafür gesorgt, dass sich der EuGH wohl noch einmal mit den Rx-Boni von DocMorris befassen muss. Das OLG Köln verbot die Freundschaftswerbung von DocMorris. Hier rechnete man damit, dass der BGH, dessen Rechtssprechung zu Rx-Boni sechs Jahre lang eindeutig war, sich in dem Fall zu den neuen Vorzeichen äußern oder den Fall sogar beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorlegen würde. Doch im November 2017 verwiesen die Richter aus Karlsruhe die Sache aus formalen Gründen zurück, ohne sich inhaltlich mit der Zulässigkeit von Rx-Boni zu beschäftigen.
Aus Sicht des BGH kann – auch nach dem EuGH-Urteil – nicht abschließend beurteilt werden, ob die deutsche Rx-Festpreisbindung mit EU-Recht vereinbar ist. Daher hätte das OLG kein Teilurteil erlassen dürfen. Das hängt aus Sicht der Richter damit zusammen, dass die Entscheidung zu den Rx-Boni von DocMorris „maßgeblich auf ungenügenden Feststellungen“ beruhte. Aus Sicht des BGH konnte der EuGH nicht alle Hintergründe kennen – weil das OLG Düsseldorf im damaligen Vorlageverfahren sie nicht mit geliefert hatte. So hätten die Richter in Luxemburg nur „zusammengefasst und angenommen, die nationalen Regelung sei nicht in einer Weise untermauert, die den Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs genüge“. Im April wurde das Verfahren ausgesetzt – weil noch immer auf die Stellungnahme der Bundesregierung in einem anderen Verfahren gewartet wird.
Das OLG München hatte in einem Verfahren des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen DocMorris die Bundesregierung aufgefordert, weitere Daten zu liefern. Berlin soll Argumente zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Arzneimittelpreisverordnung zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln liefern – also die Preisbindung begründen. Passiert ist seitdem nichts.
Statddessen hat der BGH dem EuGH im Februar ein Verfahren zur Vorabentscheidung vorgelegt, jetzt liegt die schriftliche Begründung vor. Der EuGH soll entscheiden, ob ausländische Versandapotheken in Verbindung mit der Rezepteinlösung nicht nur Barrabatte gewähren, sondern auch Gewinnspiele anbieten dürfen. Es ging um ein E-Bike von DocMorris.
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