Randnotiz

Kein Freibier für Oesterle

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Gerade musste sich Dr. Fritz Oesterle in der Rubrik „Sprüche, die wir 2011 nich mehr hören wollen“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) auffordern lassen, nicht mehr über die Prozessoptimierung bei DocMorris zu sprechen. Nicht so schlimm, mag man sich in Stuttgart gedacht haben. Schließlich fühlt sich der Konzernchef sowieso zu Größerem berufen. Als Gastautor macht sich Oesterle in der heutigen FAZ-Ausgabe auf die Suche nach dem mündigen Gesundheitsbürger.

Oesterles Ausgangsthese: Die Gesundheitsversorgung ist aus Sicht vieler Menschen „ein Gut, das wie Freibier in der Beliebigkeit der Nachfrage steht“. Werden, um in Oesterles Bild zu bleiben, im Gaststübl der GKV also bestimmte Biersorten nicht mehr gezapft, macht sich die angeschwipste Kundschaft reflexartig über die verbliebenen Bestände her. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, bleibt laut Oesterle nur eine Neubewertung von Verantwortung: „Es gilt Abschied zu nehmen von der Zuständigkeit der nur scheinbar anonymen Solidargemeinschaft für alles und jedes.“ Abschied also von der Freibier-Mentalität.

Der Kneipengast, pardon, Patient muss laut Oesterle mehr „Entscheidungsverantwortung“ erhalten, da dies zu einer selbstkritischen Überprüfung des eigenen Bedarfs führe. „Es müssen für Patienten wie für Leistungserbringer Anreize für eine raschere, vollständige Gesundung gesetzt werden. Finanziell attraktive und intelligente Belohnungsmodelle sind unabdingbar.“ Beispiel: Ein Bonus für Eltern, deren Kinder bei Aufnahme in den Kindergarten nicht übergewichtig sind.

Der mündige Gesundheitsbürger habe die persönliche Verantwortung und Absicherung von individuell gesetzten Risiken zu übernehmen, so Oesterle. „Denn wo ist die moralische und soziale Rechtfertigung dafür, dass die Solidargemeinschaft etwa die Krankheitsfolgen eines rauschbedingten Unfalls oder von Unfällen in Risikosportarten zu tragen hat“, fragt der Konzernchef. „Es gibt kein Recht darauf, die Folgen individuell getroffener Risikoentscheidungen zu sozialisieren.“

Es brauche politischen Mut, diese Diskussion zu beginnen, räumt Oesterle ein. „Wird sie ehrlich und mit der Erkenntnis geführt, es nicht allen recht machen zu können, dann kann man mit ihr vermutlich sogar Wahlen gewinnen.“ Größeres Vertrauen in die Gesundheitsmündigkeit des Einzelnen sei der Stoff, aus dem wirkliche strukturelle Reformen des Gesundheitssystems gemacht seien. Na dann: Prost!

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