Bei Apothekern und Ärzten tun sich die Kassen schwer, bei der Pharmaindustrie geht es offenbar leichter: Die Knappschaft beteiligt den Hersteller Desitin an Einsparungen, die über ein Medikationsmanagement generiert werden. Als erstes Pharmaunternehmen hat der Psychopharmaka-Spezialist einen Integrierten Versorgungsvertrag geschlossen. Mit einem elektronischen Medikationstagebuch soll die Compliance von epilepsiekranken Kindern und Jugendlichen verbessert werden.
Bei der Integrierten Versorgung schließen Krankenkassen, beschränkt auf bestimmte Indikationsgebiete und Regionen, Versorgungsverträge mit Leistungserbringern. Seit Inkrafttreten des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) zum Jahresanfang dürfen auch Pharmafirmen als Vertragspartner und Geldgeber bei solchen Versorgungskonzepten mitwirken.
Der Desitin-Vertrag gilt für das Bundesland Schleswig-Holstein. Als weitere Vertragspartner sind die Managementgesellschaft GSB, das Norddeutsche Epilepsiezentrum sowie das Universitätsklinikum Kiel beteiligt. Das Internet-basierte Dokumentations- und Therapiemanagementsystem „EPI-Vista“ wurde gemeinsam entwickelt.
In dem System sollen die Eltern der erkrankten Kinder die Häufigkeit von Anfällen sowie Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapie dokumentieren. Die behandelnden Ärzte können auf die Daten zugreifen und den Therapieverlauf bewerten. Die Daten sind einem Desitin-Sprecher zufolge auf einem zentralen Server in Greifswald gespeichert - nur Patient und Arzt hätten darauf Zugriff.
Weil es in Schleswig-Holstein nur elf Neuropädiater gebe, könne man Patienten dadurch Fahrwege ersparen, so der Sprecher. „Durch die langfristige Verbesserung der Compliance sparen die Kassen Leistungsausgaben. Die eingesparten Kosten werden zwischen uns und der Kasse aufgeteilt“, so der Desitin-Sprecher. Welcher Anteil der Ersparnisse auf das Konto des Herstellers überwiesen wird, soll bei einer Projektevaluation nach einem Jahr geklärt werden.
Für die Fachärzte ist die Beteiligung freiwillig. Eingeschriebene Hausärzte und Neuropädiater erhalten pro Fall eine Einmalzahlung von 50 Euro sowie eine Quartalspauschale von 30 Euro für die Verwendung des e-Tagebuchs.
Angaben der Knappschaft zufolge gibt es im Vertragsgebiet etwa 2400 an Epilepsie erkrankte Kinder und Jugendliche, die sich in das Versorgungsprogramm einschreiben können. Weil die Knappschaft im Vertragsgebiet Schleswig-Holstein nur einen geringen Teil der Versicherten abdeckt, versucht die Managementgesellschaft GSB derzeit, weitere Krankenkassen in das Versorgungsprogramm zu holen.
Desitin ist auf Arzneimittel für neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Zum Portfolio gehören knapp 20 Antiepileptika, darunter Orfiril (Valproat), Timonil (Carbamazepin), Luminal (Phenobarbital), Antelepsin (Clonazepam), Phenhydan (Phenytoin). Außerdem hat Desitin eigene Generika im Markt und ist an mehreren AOK-Rabattverträgen beteiligt.
2010 setzte Desitin knapp 90 Millionen Euro um, zwei Drittel davon in Deutschland. Die 1919 in Berlin gegründete, heute in Hamburg ansässige Firma beschäftigt 300 Mitarbeiter und vermarktet außerdem OTC-Produkte wie Coldastop, Desitin Salbe und Milkuderm. Eigentümer sind drei Familien aus Hamburg, Heidelberg und Bayern.
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