Kartellamt: Razzia bei Pharmagroßhändlern Alexander Müller, 14.09.2016 16:29 Uhr
Das Bundeskartellamt hat nach Informationen von APOTHEKE ADHOC heute bundesweit Großhändler durchsucht. Wie ein Sprecher der Behörde auf Nachfrage bestätigte, geht es um vermeintlich illegale Absprachen zwischen den Unternehmen. Acht Firmen sind betroffen, beinahe die gesamte Branche. Das Kartellamt wurde von der Kriminalpolizei unterstützt.
Auf Nachfrage teilte ein Sprecher des Kartellamtes mit: „Ich kann bestätigen, dass das Bundeskartellamt heute (am 14. September 2016) eine bundesweite Durchsuchungsmaßnahme bei insgesamt acht Pharmagroßhändlern durchgeführt hat. Die Behörde geht dem Verdacht nach, dass die Großhändler untereinander wettbewerbsbeschränkende Absprachen, insbesondere sogenannte Kundenschutzabsprachen getroffen haben.“
Weiter heißt es aus Bonn: „Die Durchsuchung dient der Sicherung von Beweismitteln, die den Verdacht auf wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen bestätigen oder entkräften können. Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung. Deshalb machen wir zum jetzigen Zeitpunkt auch keine weiteren Angaben zu den durchsuchten Unternehmen.“
Betroffen sind dem Vernehmen nach Phoenix, Gehe, Sanacorp, AEP, Pharma Privat, Alliance, Noweda und Hageda Stumpf. Die Durchsuchung fand laut Kartellamt an mehreren Unternehmensstandorten statt. „Insgesamt waren 50 Mitarbeiter des Bundeskartellamtes an der Maßnahme beteiligt, die von Kräften der örtlichen Kriminalpolizei unterstützt wurden“, so der Sprecher.
Der hohe Konzentrationsgrad im Pharmagroßhandel wurde schon 1990 vom Bundeskartellamt als Problem erkannt: Die „oligopolistische Reaktionsverbundenheit“ könne „spontane Verhaltenskoordinierung erleichtern“ und den Nachweis illegaler Absprachen erschweren, hieß es damals. Die Wettbewerbshüter hatten gerade ein Bußgeld von knapp 38 Millionen DM gegen 13 Großhändler verhängt. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass das Synchronschwimmen der Branche die Behörde auf den Plan gerufen hat.
Das Kartellamt konnte damals belegen, dass sich rund ein Dutzend Unternehmen im Dezember 1986 auf einen „grundsätzlichen Akquisitionsstop“ verständigt hatten – „zum Zwecke einer fortlaufenden Senkung der den Apotheken eingeräumten Rabatte“. In den folgenden Jahren hätten die Niederlassungsleiter dann „konkrete Rabattabsprachen“ getroffen, Abwerbungen unterlassen und den Wettbewerb durch einen Kundenausgleich und weitere Maßnahmen weiter beschränkt.
Vor knapp acht Jahren musste das Kartellamt erneut einschreiten: Wegen kartellrechtswidriger Absprachen mussten die Anzag (heute Alliance), die Sanacorp, Phoenix und Gehe sowie fünf Einzelpersonen zusammen knapp 2,2 Millionen Euro Strafe zahlen. Die Großhändler hatten laut Kartellamt illegale Absprachen zu ihren Marktanteilen getroffen.
Hintergrund war die damalige „Vorwärtsstrategie“ der Anzag. Die Frankfurter hatten im Jahr 2003 eine „Rabattschlacht“ angezettelt, um der Konkurrenz Kunden abzujagen. Nachdem Dr. Thomas Trümper bei dem Frankfurter Großhändler das Ruder übernommen hatte, wurde dieser Kurs verlassen.
Parallel dazu wurde laut Kartellamt mit den drei anderen Großhändlern vereinbart, die von der Anzag gewonnenen Marktanteile an die Konkurrenz zurückzuführen. Dazu wurden auf regionaler Basis „Saldenlisten“ ausgetauscht – die Neukunden sollten gezielt wieder vergrault werden.
„Auf diese Weise sollten die Marktruhe wiederhergestellt, der Rabattwettbewerb beendet und die Marktanteile auf den Stand vor der Zeit der 'Vorwärtsstrategie' gebracht werden“, resümierte das Kartellamt 2006.
Der damalige Kartellamtspräsident Ulf Böge sprach von einem „Quotenkartell an der Grenze zu einem Preiskartell, der schärfsten Form der Wettbewerbsbeschränkung“. Die auf Führungsebene initiierte Kartellabsprache sei nur wegen der damals geltenden Rechtslage vergleichsweise gering bestraft worden, sagte Böge.