Das Bundeskartellamt hat ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet, um die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern auf dem deutschen Marktplatz zu überprüfen.
Amazon ist nicht nur der größte Versandhändler in Deutschland, der US-Internetkonzern betreibt auch den mit Abstand größten Online-Marktplatz in Deutschland. Viele Händler und Hersteller sind mittlerweile auf die Reichweite des US-Konzerns angewiesen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, kritisiert die Rolle als „Gatekeeper“ gegenüber den Kunden: „Die Doppelrolle als größter Händler und größter Markplatz birgt das Potenzial für Behinderungen von anderen Händlern auf der Plattform. Aufgrund der vielen uns vorliegenden Beschwerden werden wir prüfen, ob Amazon seine Marktposition zulasten der auf dem Marktplatz tätigen Händler ausnutzt. Die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern werden damit umfassend auf den Prüfstand gestellt.“
Die möglicherweise missbräuchlichen Geschäftsbedingungen und damit zusammenhängende Verhaltensweisen betreffen unter anderem Haftungsregeln zulasten der Händler im Zusammenhang mit Gerichtsstand- und Rechtswahlklauseln, Regeln zu Produktrezensionen, intransparente Kündigungen und Sperrungen von Händlerkonten, Einbehalt von Zahlungen und verzögerte Auszahlungen, Klauseln zur Einräumung von Rechten an dem vom Händler bereit zu stellenden Produktmaterial sowie Geschäftsbedingungen zum paneuropäischen Versand.
Voraussetzung für eine kartellrechtliche Relevanz des Verhaltens ist laut Mundt unter anderem, dass Amazon über eine marktbeherrschende Position verfügt oder dass die Händler von Amazon abhängig sind. „Für beides liegen Anhaltspunkte vor, insbesondere auf einem möglichen Markt für Marktplatzdienstleistungen für den Online-Vertrieb an Verbraucher. Dies wird das Bundeskartellamt nun näher überprüfen und ermitteln.“
Auslöser für das Verfahren sind zahlreiche Beschwerden von Händlern über die Geschäftspraxis von Amazon, die die Wettbewerbshüter in Bonn in der jüngeren Vergangenheit erreicht haben.
Auf Basis des europäischen Kartellrechts hat die EU-Kommission bereits Untersuchungen zu Amazons europäischen Marktplätzen begonnen, die vor allem die Erhebung und die Nutzung von Transaktionsdaten durch Amazon betreffen. Dafür hat die Kommission im Sommer umfangreiche Fragebögen an mehrere Hundert deutsche Händler verschickt. Das heute eingeleitete Verfahren des Bundeskartellamts ergänzt dieses Verfahren: Während in Brüssel vor allem der Datengebrauch durch Amazon zu Lasten der Marktplatzhändler untersucht wird, konzentriert man sich in Bonn auf die Geschäftsbedingungen und Verhaltenspraktiken auf dem deutschen Amazon Marktplatz gegenüber den Händlern.
Im vergangenen Jahr setzte Amazon hierzulande rund 15 Milliarden Euro um (knapp 17 Milliarden US-Dollar), ein Plus von 17 Prozent gegenüber 2016. Laut Unternehmensberatung Dr. Kaske müsste der Konzern gerade einmal 0,2 Prozent seines Umsatzes mit Apothekenartikeln erzielen, um unter die Top-10 der Versandapotheken zu kommen. 44 Millionen Deutsche kaufen regelmäßig bei Amazon. Zum Vergleich: Bei allen anderen Webshops wie Zalando, Otto und Conrad kommen nur 7,6 Millionen regelmäßige Käufer zusammen. Und das Beste für Amazon: 17 Millionen Kunden sind mittlerweile bei Prime – haben sich also mehr oder weniger fest an den Konzern gebunden.
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