Die Akte DocMorris gegen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist dick – und um eine Anekdote reicher. Weil die Versandapotheke sich nach einem verlorenen Verfahren weigerte, die Gerichtskosten der Gegenseite zu bezahlen, pfändete die Kammer kurzerhand die Internetseite von DocMorris – mit unmittelbarer Wirkung auf die Zahlungsmoral.
Seitdem der Gemeinsame Senat der obersten Gerichte des Bundes auch Rx-Boni ausländischer Versandapotheken für unzulässig erklärt hat, versuchte DocMorris die Preisbindung mit immer neuen Mitteln zu umgehen. Es gab vergütete Arzneimittelchecks und sonstige Prämien, die meist an den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel gekoppelt waren.
Weil neben der Rechtsprechung auch der Gesetzgeber eine entsprechende Klarstellung vorgenommen hatte, ging die AKNR immer wieder gegen die versteckten Boni vor – mit Erfolg: In mehreren Verfahren verhängte das Landgericht Köln Ordnungsgelder gegen die Versandapotheke. Insgesamt kam ein Betrag von 850.000 Euro zusammen. Weil DocMorris nicht bezahlte, hat das Gericht zwischenzeitlich sogar Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet.
Die Ordnungsgelder stehen der Staatskasse zu, doch auch die Kammer musste auf ihr Geld warten: DocMorris blieb die Gerichtskosten von knapp 20.000 Euro schuldig. Doch die Kammer und der von ihr in allen DocMorris-Angelegenheiten beauftragte Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas wussten sich zu helfen: Kurz vor dem Jahreswechsel ließen sie die Domain www.docmorris.de pfänden.
DocMorris drohte der Super-GAU. Verändern oder gar abschalten durfte die Kammer die Homepage zwar nicht. Sie hätte die Domain aber zur Versteigerung freigeben können. Entweder hätte sich dann ein Dritter alle Rechte sichern können, oder DocMorris hätte für die eigene Internetadresse selbst vermutlich viel Geld auf den Tisch legen müssen.
Doch dazu kam es nicht: DocMorris zahlte die Gerichtskosten der Kammer sofort und löste die Domain damit aus. Zwischenzeitlich wurde diese an die niederländische Tochtergesellschaft D&W Mailorder Service übertragen. Gegen diese können Ansprüche gegen DocMorris künftig nicht mehr geltend gemacht werden – die Versandapotheke will nicht noch einmal in dieselbe Verlegenheit geraten.
Nach wie vor offen sind die Ordnungsgelder. Weil diese von deutschen Gerichten in den Niederlanden nicht so leicht vollstreckt werden können, verweigert DocMorris hartnäckig die Zahlung. Insgesamt hat das Landgericht Köln (LG) in sechs Fällen Ordnungsgelder gegen DocMorris verhängt – dreimal 100.000, zweimal 150.000 Euro und zuletzt sogar die gesetzliche Höchstgrenze von 250.000 Euro.
Anfang des Jahres hat das Oberlandesgericht Köln (OLG) auch diese Strafe bestätigt. Doch bis heute wartet das für die Ordnungsgelder zuständige Landgericht auf eine Überweisung aus Heerlen.
Mehrfach hat das Gericht die Versandapotheke zur Zahlung gemahnt, jetzt soll der Rechtspfleger des LG das Geld eintreiben: „Dementsprechend sind Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden“, so ein Gerichtssprecher im Januar. Laut der AKNR wurde zwischenzeitlich sogar die Oberstaatsanwaltschaft mit dem Eintreiben der Ordnungsgelder betraut.
Mittlerweile verzichtet DocMorris auf Rx-Boni, hofft aber auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH). In Luxemburg ist derzeit ein Verfahren anhängig, das das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) vorgelegt hat. Im Ausgangsverfahren ging es um ein Bonusmodell der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) in Zusammenarbeit mit DocMorris.
Im Auftrag der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) hatte die Wettbewerbszentrale gegen das Modell geklagt und in erster Instanz auch Recht bekommen. Das Berufungsverfahren wurde vom OLG ausgesetzt, bis der EuGH entschieden hat, wie die EU-Verträge auszulegen sind. Die Düsseldorfer Richter stützen sich auf ein Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission wegen der Preisbindung gegen Deutschland eingeleitet hat.
Während die DPV sich von Anfang an von den DocMorris-Anwälten der Hamburger Kanzlei Diekmann vertreten ließ, steigt die ABDA erst in Luxemburg in den „Stellvertreterkrieg“ ein. Für die Wettbewerbszentrale hat Rechtsanwalt Dr. Claudius Dechamps von der Kanzlei Waldeck übernommen, der die Apotheker schon im Fremdbesitz-Prozess vor dem EuGH vertreten hatte.
Die AKNR hatte der ABDA ihre Hilfe angeboten. Doch damit sei man in der Jägerstraße abgeblitzt, berichtete Justiziarin Dr. Bettina Mecking unlängst bei der Kammerversammlung in Neuss. Die Kammer hatte vorgeschlagen, die eigene Expertise und die der Kollegen aus Bayern in das EuGH-Verfahren einzubringen und ein Treffen mit der Rechtsabteilung der ABDA unter Leitung von Lutz Tisch vorgeschlagen. Dazu sei es aber nie gekommen, so Mecking.
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