Rezeptpflichtige Medikamente unterliegen der Preisbindung: Kein Kranker soll erst das günstigste Angebot suchen müssen, keine Apotheke durch Rabattschlachten die Versorgung gefährden. Doch es gibt eine Ausnahme: Bei der Abgabe von Teilmengen gelten die Vorschriften nach Arzneimittelpreisbindung (AMPreisV) nicht. Jenapharm setzt beim Vertrieb seiner Spiralen offenbar auf diese spezielle Möglichkeit.
Eine Apothekerin berichtet, dass sie unlängst Besuch von einem Außendienstler von Jenapharm hatte. Der habe ihr mitgeteilt, dass der benachbarte Gynäkologe die Apotheke gerne allen Patientinnen, die mit Spirale verhüten, empfehlen würde. Voraussetzung sei aber, dass sie die Packung preiswerter abgebe. Das sei möglich, wenn sie die 5er-Packung bestelle und dann auseinzele. Als Hersteller unterstütze man das, weil zu viel Ware über das Internet bestellt werde.
Die Pharmazeutin war zunächst perplex. Doch tatsächlich gibt es die vom Bayer-Mitarbeiter empfohlene Möglichkeit: 2006 hatte die Große Koalition mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) eine Ausnahmeregelung für die Preisbildung eingeführt: Ausgenommen von der AMPreisV sind demnach „die Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt“.
Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) im März 2015 entschieden hatte, dass diese Regelung großzügig auszulegen sei, nahm sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) des Themas noch einmal an: Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) wurde klargestellt, dass eine ärztliche Verordnung zugrunde liegen muss.
Bislang wird die Ausnahmeregelung selten genutzt, denn kein Hersteller hat ein Interesse, sich die eigenen Preise zu ruinieren. Lediglich im Bereicher der Selbstzahler ist das Abweichen vom Listenpreis eine Option. Im vergangenen Jahr nutzten der Kölner Apotheker Erik Tenberken und Hexal die Möglichkeit, um die Fixkombination aus Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil für die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) als verblisterte Ware günstiger anzubieten.
Warum Bayer das Auseinzeln im Bereich der Spiralen unterstützt, ist nicht bekannt. „Den einzelnen Fall können wir nicht kommentieren.“ Prinzipiell ist das Auseinzeln einer Bündelpackung jedoch rechtlich möglich. „Jenapharm bekennt sich im Übrigen zum legalen und politisch gewollten Versandhandel, da er die Bedürfnisse bestimmter Patienten berücksichtigt. Jenapharm beliefert alle öffentlichen Apotheken, die eine Versandhandelserlaubnis besitzen. Gleichermaßen unterstreichen wir mit unserem Apothekerfinder die Bedeutung der Präsenzapotheke und heben auch die dortige Kundenberatung hervor.“ Darüber hinaus werde man die Unternehmensstrategie nicht kommentieren.
2015 hatte das Thema erstmals für Schlagzeilen gesorgt, weil die Apotheke an der Universität in Bielefeld auf ihrer Internetseite damit geworben hatte, Hormonspiralen „zu besonders günstigen Konditionen“ anzubieten. Daraufhin meldeten sich Kollegen, bei denen Frauenärzte ebenfalls eine bestimmte Apotheke empfehlen, die Mirena günstiger abgeben. Wieder ein anderer Kollege berichtete, dass der Gynäkologe die 5er-Packung selbst kaufe und dann der Patientin den Normalpreis von 191 Euro als angeblichen Auslagenersatz quittiere. „Damit verdient er zusätzlich zu seinem Honorar 53 Euro.“
Mirena und Jaydess von Jenapharm werden in Packungen mit einer oder fünf Spiralen angeboten. Mirena kostet in der Einzelpackung 162,87 Euro im Einkauf und entsprechend 209,76 Euro im Verkauf. Die Fünfer-Packung liegt bei 610 Euro im Einkauf, eine einzelne Spirale kostet somit nur 122 Euro beziehungsweise 152 Euro im Verkauf.
Jaydess ist etwas günstiger: Für die Einzelpackung müssen Apotheker 133,39 Euro zahlen, im Verkauf erhalten sie 173,62 Euro. Die Fünfer-Packung kostet im Einkauf 500 Euro und im Verkauf 623 Euro – eine Spirale kostet somit 100 beziehungsweise 124,60 Euro. Seit Frühjahr 2017 hat Jenapharm außerdem noch die Hormonspirale Kyleena auf dem Markt.
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