„Generikahersteller dürfen Omeprazol nicht ignorieren“ Carolin Bauer, 11.04.2013 11:29 Uhr
Durch den Fälschungsskandal um Omeprazol werden die Rufe nach strengeren Sicherheitsvorkehrungen lauter. Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Richtlinie, die Verbraucher vor Plagiaten schützen soll. Mit den derzeit in Deutschland getesteten Codes könnten die Plagiate bereits im Großhandel entlarvt werden, sagt Securpharm-Sprecher Dr. Reinhard Hoferichter. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC sprach er über den Fall Omeprazol, das Fälschungsrisiko von Generika und die Sicherheit des neuen Datamatrix-Codes.
ADHOC: Haben Sie mit gefälschten Generika gerechnet?
HOFERICHTER: Der Fall hat mich überrascht, da es sich nicht um ein hochpreisiges Produkt handelt. Stattdessen wurde ein günstiges Generikum gefälscht. Das zeigt, dass sich die gesamte Pharmaindustrie, darunter auch Generikahersteller, mit der Fälschungsrichtlinie beschäftigen müssen.
ADHOC: Haben sie die Generikahersteller schon von dem Projekt überzeugt?
HOFERICHTER: Ich bin zuversichtlich, dass der Omeprazol-Fall von der Generikaindustrie nicht ignoriert werden kann. Schlussendlich wird die Europäische Kommission entscheiden, welche Arzneimittel unter die Richtlinie fallen, und welche nicht.
ADHOC: Das heißt?
HOFERICHTER: Wir gehen davon aus, dass die Kommission den Omeprazol-Fall genau betrachten und in ihre Überlegungen einbeziehen wird. Die Fälschungen könnten Einfluss auf die Ausgestaltung der Richtlinie haben.
ADHOC: Dann kommt der Fälschungsskandal zur richtigen Zeit?
HOFERICHTER: Fälschungen kommen immer zum falschen Zeitpunkt, denn sie gefährden das Vertrauen der Verbraucher. Der Fall ist brisant, da Omeprazol ein sehr preisgünstiges Medikament ist. Abgesehen davon kommt in diesem Jahr mit dem Patentablauf von Viagra ein weiteres Argument für Sicherheitsmerkmale auf Generikapackungen dazu. Viagra ist das weltweit am meisten gefälschten Arzneimittel. Auch Sildenafil-Generika werden ein vergleichbares Fälschungsrisiko haben.
ADHOC: Wie sicher ist Securpharm?
HOFERICHTER: Das Sicherheitskonzept besteht aus verschiedenen Modulen, weshalb wir es für ausreichend sicher halten. Natürlich kann der Datamatrix-Code einer Packung kopiert werden. Die Abgabe wäre im ungünstigsten Fall nur einmal möglich, damit ist das Geschäftsmodell für Fälscher zerschlagen.
ADHOC: Hätte Securpharm verhindert, dass Omeprazol in die Lieferkette gelangt?
HOFERICHTER: Ja, das Securpharm-Konzept sieht die Verifizierung aller Arzneimittelpackungen in der Apotheke vor. Daher ist es wichtig, dass auch Generika diese Merkmale tragen. Die Fälschungen wären aber auch schon beim Großhandel entdeckt worden: Der Phagro plädiert dafür, dass der Großhandel – einem risikobasierten Ansatz folgend – alle Packungen verifiziert, die nicht vom Hersteller bezogen wurden.
ADHOC: Gibt es trotzdem ein Risiko?
HOFERICHTER: Um Fälschungen in die Lieferkette zu schleusen, müssten Fälscher nicht nur die Sicherheitsmerkmale auf den Packungen fälschen, sondern auch die Seriennummer und andere Produktdaten in die Datenbank der Hersteller hochladen. Unser Sicherheitssystem, das auf höchstem Standard ist, verhindert dies, soweit es eben möglich ist.
ADHOC: Das Pilotprojekt Securpharm läuft seit mehr als drei Monaten. Wie ist die Bilanz?
HOFERICHTER: Wir sind planmäßig und erfolgreich gestartet und aus dem Piloten ist jetzt schon ein Echtbetrieb geworden. Das System funktioniert bis auf ein paar Kinderkrankheiten, die gut heilbar sind, zuverlässig und schnell. Insgesamt beteiligen sich an der Startphase 24 Hersteller mit rund 3 Millionen codierten Packungen, die derzeit im Umlauf sind.
ADHOC: Wie ist die Reaktion der Apotheken?
HOFERICHTER: In diesem Bereich war der Start etwas schwieriger, da die Softwarehäuser angesichts mehrerer großer Umstellungen zum Jahreswechsel ihre Kunden später ansprechen konnten als geplant. Momentan verifizieren mehr als 150 Apotheken.
ADHOC: Wo hakt es noch?
HOFERICHTER: Auf manchen Packungen war der Datamatrix-Code zu klein oder nicht in der erforderlichen Qualität aufgebracht. Dadurch konnte er von den Scannern nicht richtig gelesen werden. Es gab auch vereinzelte Schwierigkeiten beim Hochladen der Daten. Die Punkte zeigen, wie wichtig es ist, dass sich Deutschland so früh mit der Umsetzung der Fälschungsrichtlinie auseinandersetzt. Bis 2017 wollen wir alle Großhändler, Hersteller und Apotheken an Bord holen.