„Unsere Produkte standen nie in Frage“ APOTHEKE ADHOC, 17.05.2013 10:09 Uhr
Zwei Monate lang stand Orthomol unter Beschuss. Erst musste sich der
Hersteller wegen seines Produkts „Orthomol audio“ gegenüber dem
Mitbewerber DS Vital verantworten, dann drohte nach einer Abmahnung
durch Alpenland Pharma eine Rückholaktion für weite Teile des
Gesamtsortiments. Jetzt hat sich das Familienunternehmen aus Langenfeld
in Nordrhein-Westfalen mit den Mitbewerbern geeinigt. APOTHEKE ADHOC
sprach mit Orthomol-Geschäftsführer Dr. Michael Schmidt über die
Hintergründe und Auswirkungen des Rechtsstreits.
ADHOC: In der vergangenen Woche sah es so aus, als müssten Sie große Teile Ihres Sortiments zurückrufen. Was war das Problem?
SCHMIDT: Die Erfahrungen der letzten Wochen haben uns dazu bewogen, diesen Schritt vorsorglich zu gehen. Die Rechtslage ist im Lebensmittelbereich viel dynamischer als im Arzneimittelbereich. Es gibt zahlreiche Vorgaben, die Sie beachten müssen und die sich permanent und mit kurzen Übergangsfristen ändern – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Das reicht von der Einstufung eines Produkts bis hin zu den Inhaltsstoffen, der Deklaration und der Werbung.
ADHOC: Sie haben doch sicher Experten?
SCHMIDT: Natürlich. In unserem Haus kümmern sich in der Produktentwicklung und der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung permanent rund 15 Leute um die aktuellen Entwicklungen. Parallel beschäftigen wir uns in den Arbeitskreisen der Fachverbände mit den rechtlichen Grundlagen.
ADHOC: Trotzdem hat man den Eindruck, Sie seien kalt erwischt worden.
SCHMIDT: In unserer Branche können Sie nie garantieren, dass Sie zu 100 Prozent auf der sicheren Seite sind. Alles ist im Fluss, Sie sind gezwungen, sich permanent anzupassen. Das tun wir auch: Wir arbeiten an Studien und nehmen immer wieder Änderungen in der Deklarierung vor. Am Ende sind aber viele Aspekte Auslegungssache, über die im Einzelfall Gerichte entscheiden müssen.
ADHOC: Was wurde konkret beanstandet?
SCHMIDT: Teilweise ging es um gesundheitsbezogene Aussagen, die seit Ende vergangenen Jahres in einer EU-Verordnung konkret geregelt sind. Dann gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen, ob für diätetische Anwendungsgebiete Literaturdaten reichen, oder ob doppelblinde, placebokontrollierte Untersuchungen erforderlich sind. Schließlich ging es um die Frage, ob bestimmte Stoffe als neuartige Lebensmittel oder Zusatzstoffe zulassungspflichtig sind. Hier werden die deutschen Vorgaben gerade erst noch an europäisches Recht angepasst.
ADHOC: Das klingt so, als agierten Sie in ziemlich vermintem Gelände?
SCHMIDT: Abmahnungen gehören leider zum Alltag. Im Normalfall reagieren auch Wettbewerber mit Augenmaß, aber manchmal wird einem auch die Pistole auf die Brust gesetzt. Dann wird es ernst. Wie schon skizziert, bietet die Rechtslage Interpretationsspielraum. Wir sind von unseren Produkte überzeugt.
ADHOC: Warum haben Sie sich dann mit der Gegenseite geeinigt?
SCHMIDT: Der Rechtsstreit hat nicht nur uns betroffen, sondern hatte auch Auswirkungen auf unsere Kooperationspartner und die Verwender unserer Produkte. Das wollten wir abwenden.
ADHOC: Bleibt ein Restrisiko?
SCHMIDT: Wir gehen nicht davon aus.
ADHOC: Gab es für Orthomol eine Alternative?
SCHMIDT: Wir haben uns bereits den sich ändernden Rahmenbedingen angepasst, erste Produkt-Modifikationen vorgenommen und werden diese sukzessive fortführen. Zur Begleitung des Prozesses haben wir aktuell eine kostenfreie Broschüre mit dem Titel „Health Claims – Wir führen Sie durchs Labyrinth“ konzipiert. Orthomol und seine Produkte standen nie in Frage.
ADHOC: Wie war die Resonanz der Apotheken?
SCHMIDT: Ich habe in den letzten drei Wochen täglich mit Apothekern telefoniert und war überrascht, wie groß der Rückhalt ist. Hier zahlt sich sicherlich aus, dass wir seit Jahren verlässlicher und engagierter Geschäftspartner sind. Unsere Mitarbeiter haben aber auch Übermenschliches geleistet – sowohl hier im Haus als auch die 150 Außendienstler vor Ort.
ADHOC: Also wird der Streit keine negativen Auswirkungen haben?
SCHMIDT: Das kann man natürlich erst am Jahresende sagen. Ich habe aber das Gefühl, dass wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Auch dank der breiten Unterstützung aus der Apothekerschaft.