Klosterfrau: Keine Chance für Phyto-Generika Patrick Hollstein, 10.10.2016 10:17 Uhr
Bei Klosterfrau hat Anfang des Jahres eine neue Zeitrechnung begonnen: Mit Friedrich Neukirch verabschiedete sich ein Vertreter der alten Generation in den Ruhestand; erstmals in der Geschichte des Unternehmens überhaupt traten externe Manager die Führung an. Im Interview erklären René Flaschker (Marketing/Vertrieb) und Christian Heller (Personal/Recht), was beim Kölner OTC-Hersteller anders läuft und wo die Reise hingehen soll.
ADHOC: Seit einem halben Jahr rumort es bei Klosterfrau, was ist los bei Ihnen?
HELLER: Wir sind mitten in einem anspruchsvollen Veränderungsprozess. Unsere Strukturen und Prozesse waren zu komplex; es gab definierte Abläufe im Kleinen, aber keine einheitliche Linie. Das müssen wir ändern, um unsere Ziele erreichen zu können.
ADHOC: Was sind Ihre Ziele?
FLASCHKER: Wir wollen organisch wachsen, indem wir neue Märkte erschließen. Stichwort: Internationalisierung. Und wir wollen uns im pflanzlichen Bereich noch stärker aufstellen, als es in der Vergangenheit der Fall war. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Erkältungspräparaten.
ADHOC: Kein einfaches Segment.
FLASCHKER: In dem wir aber bereits sehr gut aufgestellt sind. Wir haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber börsennotierten Mitbewerbern: Wir können auch eine schlechte Saison wegstecken. Für uns zählt alleine der Marktanteil als Kenngröße für Vermarktungs- und Vertriebserfolg. Wir sind zuversichtlich, unsere Marken wie Soledum, Nasic und Contramutan nach vorne bringen zu können.
ADHOC: Sie sehen Potenzial, dass Ihre Vorgänger liegen gelassen haben?
FLASCHKER: Das würde ich so nicht sagen. Unsere Marken sind eigentlich in jeder Apotheke präsent – das schaffen nicht viele Vertriebsteams. Wir haben eher versäumt, unsere Produkte beim Apothekenpersonal und beim Endverbraucher bekannt zu machen. Das müssen wir jetzt nachholen. Wir dürfen nicht länger im Ungefähren bleiben, sondern müssen ganz konkret sagen, wofür sie gut sind. Sinupret ist das beste Beispiel dafür, wie man ein Produkt perfekt ausdifferenziert. Wer sagt denn, dass wir das bei Soledum nicht mindestens genauso gut hinbekommen?
ADHOC: Welches Zeitfenster bleibt Ihnen, wenn Sie auch noch gegen Generikakonkurrenz antreten müssen?
HELLER: Wir sind überzeugt davon, dass es auch in Zukunft einen Unterschied zwischen Original und Generikum geben wird. Es geht nicht immer um den billigsten Preis, sondern auch um Vertrauen. Darauf müssen wir einzahlen. Und was die Konkurrenz angeht: Generikafirmen stürzen sich nur auf Produkte, die sehr erfolgreich sind. Bis dahin muss man seine Hausaufgaben gemacht haben, wie der Fall Nasic zeigt.
ADHOC: Abgesehen von den etablierten Marken: Was ist noch von Klosterfrau zu erwarten?
FLASCHKER: Wir denken langfristig und haben gerade Investitionen in Forschung und Entwicklung beschlossen, deren Arbeit erst in zehn bis zwölf Jahren sichtbar werden wird. Man benötigt einen langen Atem, um die nächste Generation an Produkten in Angriff nehmen zu können. Wir haben ein ganz großes Projekt am Kochen. Bis dahin werden Konzeptinnovationen unser Wachstumsmotor sein. Hier werden wir noch in dieser Saison Ergebnisse präsentieren können.
ADHOC: Man hat das Gefühl, dass Sie im Mass Market ständig neue Produkte einführen.
FLASCHKER: Das hat in der Tat mit dem Vertriebsweg zu tun. Hier gibt es eine wesentlich höhere Umschlaggeschwindigkeit als in der Apotheke, weil die Konsumenten ein Bedürfnis nach Neuigkeiten haben. Die vier bis acht Produkteinführungen pro Jahr sind oft auch ein Ersatz für bereits bestehende Artikel. Das ist eine gesunde Rotation, die im Markt auch üblich ist.
ADHOC: Und die ohne die Dachmarke Klosterfrau nicht funktionieren würde?
FLASCHKER: Richtig. Unter Marketingaspekten ist es eine Notwendigkeit, im Mass Market mit Dachmarken arbeiten zu können.
ADHOC: Kommt diese Entwicklung auch in die Apotheke?
HELLER: Nein. Die Dynamik, die es im Mass Market gibt, können Sie in der Apotheke schon aus regulatorischen Gründen gar nicht erreichen. Das erlaubt im Umkehrschluss auch höhere Investitionen in das Sortiment und Service in der Apotheke.
ADHOC: Was werden Sie Apotheken anbieten?
FLASCHKER: Ganz aktuell bringen wir unsere Kampagne „Männergrippe“ in die Apotheke. In den sozialen Netzen waren wir extrem erfolgreich, wie wir auch an den Abverkaufszahlen sehen können. Nun wollen wir auch die Apotheken einbinden. Das ist komplettes Neuland, je nachdem, wie groß die Resonanz ist, wird das Konzept ganz groß ausgerollt. Noch auf der Expopharm werden wir die Idee vorstellen. Ansonsten wollen wir unsere Präsenz in den Arztpraxen intensivieren und unsere Schulungskonzepte für die Apothekenmitarbeiter ausbauen.
ADHOC: Wenn Sie sich für ein Geschäftsfeld entscheiden müssten: Drogerie oder Apotheke?
FLASCHKER: Sie müssen verdammt viel Taxofit verkaufen, um auf das Volumen einer einzelnen Marke aus der Apotheke zu kommen. Im Ernst: Unser Fokus ist ganz klar erst Apotheke, dann Drogerie, dann Lebensmitteleinzelhandel.
ADHOC: Warum bringen Sie die Marken und damit die Kunden nicht in die Apotheke?
FLASCHKER: Weil die Zielgruppe im Mass Market eine ganz andere ist. Das sind auch gut informierte Käufer, die aber bewusst außerhalb der Apotheke eine Ergänzung für ihren Lebensstil suchen. Insofern sehen wir auch keinen Interessenkonflikt. Unsere Sortimente sind überschneidungsfrei, jeder Kanal hat seine eigenen Produkte und Marken.
ADHOC: Wer Anginetten kauft, könnte auch Neo-Angin kaufen.
FLASCHKER: Bestimmt, aber er hat sich bewusst anders entschieden. Wir kommen als Hersteller aus dem Mass Market und wir können diesen Vertriebskanal nicht negieren.
ADHOC: Nach den Erfahrungen der Vergangenheit: Steht Klosterfrau noch als Vertriebspartner für andere Hersteller zur Verfügung?
HELLER: Partnerschaften sind auch in Zukunft ein zentraler Bestandteil unseres Geschäftsmodells. Wir sind mit unserer Vertriebsmannschaft die beste Plattform für Produkte von der Klinik bis in den Lebensmitteleinzelhandel.
ADHOC: Wie wollen Sie zwischen internationalen Großkonzernen bestehen?
FLASCHKER: Ich kenne beide Seiten und ich bin überzeugt, dass unsere Agilität ein entscheidender Vorteil sein wird. Wir wollen nicht der Größte sein, sondern der Beste. Dazu muss man mitunter mutig sein und schnell entscheiden können. Hier sind wir deutlich besser aufgestellt als die Großkonzerne.
ADHOC: Ein Verkauf ist kein Thema und wird auch in Zukunft kein Thema sein?
HELLER: Definitiv nein! Das ist auch in unserer rechtlichen Struktur als Stiftungsunternehmen nicht vorgesehen. Wir haben keinen Gesellschafter, der Kasse machen wollte, müsste oder könnte. Es ist im Interesse der Stiftung, dass Klosterfrau eigenständig bleibt.
René Flaschker ist seit Januar bei Klosterfrau für Marketing/Vertrieb zuständig. Der 40-Jährige war zuvor bei GlaxoSmithKline (GSK) als Geschäftsführer für die Benelux-Region tätig. 2011 wechselte er vom Tiefkühlhersteller Iglo zum OTC-Hersteller und war zunächst als Vertriebsdirektor für den Mass Market in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig.
Christian Heller arbeitete nach dem Jurastudium von 1990 bis 2006 für Schaper & Brümmer. Bei Klosterfrau war er zunächst für die Rechtsabteilung zuständig, 2011 kam der Bereich Personal dazu. Seit 2013 ist er Geschäftsführer.