Interview Dr. Hajo Schumacher

Apotheke: Clooney trifft Baumarkt-Erotik

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Berlin -

Dr. Hajo Schumacher mag die Bezeichnung Experte nicht. Als überdurchschnittlich informierten Verbraucher darf man den politischen Journalisten, Autor und passionierten Läufer aber vermutlich bezeichnen. Mit APOTHEKE ADHOC sprach er über die Bedeutung von Apotheken in seinem Leben und die neuen Anforderungen der digitalen Welt. Schumacher moderiert am 22. März in Berlin VISION.A, die Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC mit Unterstützung der Apotheken Umschau.

ADHOC: Was verbinden Sie mit Apotheken?
SCHUMACHER: Ich bin ein klassischer Apothekengeher, kein Besteller. Das hat bei mir nichts mit dem Alter zu tun, ich mag einfach diese Erotik des Baumarkts in Apotheken. Man geht rein und will eigentlich nur Nasentropfen. Das tückisch angeordnete Sortiment verführt einen dazu, Dinge zu sehen, von denen man gar nicht wusste, dass es sie gibt – geschweige denn, dass man sie braucht: Badezusätze, irgendwelche besonderen Hautcremes, Vitaminpräparate. Viele bunte, sinnlose Dinge – wie im Baumarkt.

ADHOC: Und Sie kaufen?
SCHUMACHER: Das kommt auf meine Verfassung an. An einigen Tagen bin ich widerstandsfähiger, an anderen laufe ich sehenden Auges in den eigenen ökonomischen Untergang. Allein in meinem Viertel haben mindestens drei Apotheken eröffnet, seitdem wir dorthin gezogen sind. Und die leben alle von mir. Als passionierter Läufer benötige ich ja ständig irgendetwas, ob nun Schmerzmittel oder Bandagen oder Kühlpacks. Leider bin ich nur OTC-Kunde und muss alles selbst zahlen. Und alle meine Versuche, ohne Rezept an Epo zu gelangen, waren bislang nicht von Erfolg gekrönt.

ADHOC: Fühlen Sie sich trotzdem gut beraten?
SCHUMACHER: Ja, seit Eckart von Hirschhausen weiß ich, dass der Placebo-Effekt genauso wichtig ist wie die eigentliche Wirkung. Allein durch den Kauf eines Produktes fühle ich mich gesünder, schon beim Verlassen der Apotheke. Der Vorteil in der Apotheke: Man hat sofort eine Bedürfnisbefriedigung. Anders als beim Arzt, wo man im Wartezimmer sitzen und immer erst ein Fachgespräch führen muss.

ADHOC: Führen Sie in der Apotheke keine Fachgespräche?
SCHUMACHER: Doch, bei Bedarf natürlich. Und ich bin immer wieder überrascht, wie unterschiedlich die Ausrichtung von Apotheken ist – von der Homöopathie bis zur klassischen Schulmedizin ist alles dabei. Für mich ist das ein Ort, an den ich mich vertrauensvoll hinwenden kann, und zwar rund um die Uhr. Hier in Berlin haben wir diese Späti-Kultur: Ein Bier bekommen Sie immer. Aber es hat auch immer eine Apotheke geöffnet, die Isotonisches und Kopfschmerztabletten liefert, wenn man zu viel Bier hatte. Die Apotheker haben schon eine sehr hohe Serviceaffinität. Die Kunden übrigens auch: Mit das Schönste sind die Gespräche mit den anderen Kunden, die einem bei den unweigerlich aufkommenden Altersbeschwerden zu diesem oder jenem Produkt raten. Ich sage mal: Granufink. Von Senioren lernen, heißt siegen lernen.

ADHOC: Zählen Sie zu den Patienten, die sich vorab im Internet schlau machen?
SCHUMACHER: Befreundete Ärzte sagen mir immer, dass das die schlimmsten Patienten sind, die ins Behandlungszimmer kommen und sagen: ich bin todkrank, habe ich im Internet gelesen. Das dürfte in der Apotheke ähnlich sein. Früher war man mehr auf seinen Arzt und Apotheker angewiesen. Heute leben wir in einer Welt, in der jeder denkt, nach dreimal googeln alles zu kapieren. Die Kompetenz des Fachmanns wird digital untergraben.

ADHOC: Sind Patienten in besonderem Maße bedroht von Fake News?
SCHUMACHER: Ich denke schon. Welcher Markt ist so vermachtet und bewegt so viel Geld? Das ist ein permanenter Kampf zwischen Pharmaindustrie, Ärzten, Krankenkassen und natürlich den Kunden: Wer hat wirklich Recht, und wie viel darf es kosten?

ADHOC: Bringt die Digitalisierung mehr Transparenz?
SCHUMACHER: Ja, aber auch mehr Verwirrung. Der Patient ist mehr gefordert. Dieses Internet wird ja nun nicht mehr weggehen. Also ist der Patient in der Pflicht, sich selbst zu kümmern, um unabhängige Inhalte von nicht unabhängigen zu unterscheiden. Das ist ein fast journalistisches oder detektivisches Arbeiten. Und ein Lernprozess, der für alle neu ist.

ADHOC: Ist es gut, wenn es in diesem Bereich auch Influencer gibt, die ihre Reputation nutzen können?
SCHUMACHER: Nehmen wir wieder den Kollegen Hirschhausen. Der besitzt ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit: Erstens durch seine fachliche Qualifikation als Arzt, dann wegen seiner Rechercheleistung für seine Bücher und letztlich auch über die öffentlichen Auftritte und Moderationen. Wenn man jetzt erfahren würde, der stünde bei irgendeinem Unternehmen oder einer Organisation auf der Payroll, würde das seine Glaubwürdigkeit sofort enorm erschüttern.

ADHOC: An irgendwen muss man schließlich glauben…
SCHUMACHER: Dafür bin ich ja verheiratet. Glaubwürdigkeit ist in Gesundheitsfragen immer besonders wichtig. Wenn mein Apotheker außerordentlich abgerissen aussieht, 50 Kilo Übergewicht hat oder überall eiternde Furunkel im Gesicht, wird seine Kompetenz nicht unbedingt betont.

ADHOC: Apotheker müssen gesund sein und gut aussehen?
SCHUMACHER: Apotheker müssen nicht aussehen wie George Clooney, aber ein gewisses lebensbejahendes Äußeres hilft.

ADHOC: Sie sind auch als der Dauerläufer Achim Achilles bekannt. Überwachen Sie Ihre Gesundheit, Stichwort Wearables?
SCHUMACHER: Die Pulsuhr ist für einen Läufer Pflicht, ansonsten bin ich da zurückhaltend. Ich lasse einmal im Jahr ein Blutbild machen, damit ich neue Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke holen kann. Irgendein Mangel ist ja immer. Die Waage habe ich dagegen vor vier Jahren weggeschmissen; mein Gürtel ist ein unbestechliches Messinstrument. Als Sportler hat man insgesamt ein besseres Körpergefühl. Und mittlerweile höre ich auch darauf. Früher galt das Motto: Wenn es weh tut, gehen noch zehn Kilometer. Inzwischen habe ich die Tugend des Neinsagens gelernt, raus aus der Selbstzerstörungslust des Spätpubertierenden, langsam hin in Richtung Altersweisheit. Und ich muss sagen, das ist gut für mich, auch wenn es für die Umsätze der umliegenden Apotheken natürlich schlecht ist.



Schumacher ist Moderator bei VISION.A, der Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC und Apotheken Umschau am 22. März in Berlin. Die Veranstaltung mit dem Who's Who der Apotheken- und Pharmabranche widmet sich dem digitalen Wandel in Pharma & Apotheke. Rund 450 Gäste werden im RADIALSYSTEM V erwartet. Weitere Informationen und Tickets: vision.apotheke-adhoc.de

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