Neue Ideen statt ruinöse Konditionen APOTHEKE ADHOC, 10.05.2013 15:06 Uhr
Seit einigen Wochen heißt die Anzag Alliance Healthcare Deutschland. Der Frankfurter Großhändler will sich nicht nur mit einem neuen Namen und einem neuen Vorstandsvorsitzenden fit für die Zukunft machen. APOTHEKE ADHOC sprach mit dem scheidenden Chef Dr. Thomas Trümper und seinem Nachfolger Dr. Ralf Lieb über die Umbenennung, neue Geschäftsfelder für Großhändler und die aktuelle Rabattschlacht in der Branche.
ADHOC: Die Anzag heißt jetzt Alliance Healthcare. Wie geht es Ihnen mit dem neuen Namen?
TRÜMPER: Die Umstellung wurde ja lange vorbereitet, Mitarbeiter und Kunden wurden vorab informiert. Insofern war der Wechsel für uns fließend. Natürlich ist man nicht frei von Emotionen, aber die Umstellung macht einfach Sinn: Wir sind Händler und überall in der Welt aktiv. Da ist es nur konsequent, dass wir gegenüber unseren Geschäftspartnern überall einheitlich auftreten.
ADHOC: Wozu braucht es denn einen „globalen Apothekenkonzern“?
LIEB: Im Prinzip erleben wir jetzt so etwas wie eine Gegenbewegung zur Konsolidierung, wie sie die Pharmaindustrie durchgemacht hat. Nur als globaler Handelskonzern sind wir mit globalen Herstellern auf Augenhöhe.
TRÜMPER: Einer der weltgrößten Kunden der Pharmaindustrie zu sein, ermöglicht viele interessante Gespräche. Wir profitieren aber auch von Konzepten, die sich in anderen Ländern bewährt haben. Aber es ist nicht so, dass sich beispielsweise Konzepte aus den USA einfach auf Europa übertragen lassen. Es gibt derzeit eher einen Knowhow-Transfer von Europa in Richtung Amerika.
ADHOC: Es gibt aber doch eine ganze Reihe von Veränderungen bei Ihnen.
TRÜMPER: Im Großhandel Geld zu verdienen, wird immer schwieriger. Einer der wesentlichen Punkte in unserer Zusammenarbeit mit Alliance Boots ist es daher, andere Geschäftsfelder mit besseren Margen zu erschließen. So bietet Skills in Healthcare Dienstleistungen für die Industrie an. Für solche Angebote nutzen wir die Verbindungen, die wir als Großhändler bereits haben.
ADHOC: Wo bleibt die Apotheke, wenn solche Geschäfte zwischen den Herstellern und Ihrem Mutterkonzern auf globaler Ebene gemacht werden?
LIEB: Der Großhandel ist und bleibt das Rückgrat unseres Geschäfts. Wir haben ja nicht nur Angebote für die Industrie, sondern entwickeln auch Wettbewerbsinstrumente für die Apotheken. Ab Mitte des Jahres soll beispielsweise Alcura starten, ein Homecare-Service für Apotheken, der in England bereits erfolgreich ist. Wir machen Angebote, damit die Apotheken – und damit am Ende auch wir – Kunden und Umsätze behalten oder zurückgewinnen, die ihnen heute verloren gehen.
ADHOC: Muss Deutschland noch soviel vom Ausland lernen?
LIEB: Wir sind sehr auf die kurative Medizin fokussiert. Im Bereich der Prävention und Compliance gibt es erheblichen Nachholbedarf. Andere Länder sind viel weiter. Hier liegt eine echte Chance für die Apotheken. Wir können uns vorstellen, gemeinsam mit den Apothekern und ihren Verbänden neue Wege zu entwickeln und anzubieten.
ADHOC: Aktuell geht es aber vor allem um die Konditionen. Sollte die Umstellung des Großhandelshonorars diese Front nicht eigentlich entschärfen?
TRÜMPER: Grundsätzlich brauchen wir als Handelsunternehmen eine vernünftige Rendite. Zunächst hat die Reform der Arzneimittelpreisverordnung das Rabattgebahren am Markt auch eingedämmt. Aber jetzt ist das Verhalten einzelner Akteure schlimmer als je zuvor und betriebswirtschaftlich nicht mehr zu erklären. Wir hoffen sehr, dass sich dies bald wieder ändert.
LIEB: Es stellt sich auch die Frage, ob die aktuell gewährten Konditionen noch den gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen. Alle Vergütungen im Zusammenhang mit dem Warenbezug sind dabei zu berücksichtigen: Der Maximalrabatt darf auch durch Ablösesummen, Gutschriften oder Boni nicht überschritten werden.
ADHOC: Hat Anzag/Alliance Healthcare sich gar nicht beteiligt?
TRÜMPER: Wir sind nicht aggressiv in den Markt gegangen, wir haben versucht uns herauszuhalten, auch wenn Andere das vielleicht anders sehen. Wenn Sie die Waage halten wollen, müssen Sie zugunsten des Ertrags beim Umsatz Federn lassen. Deshalb haben wir aktuell auch knapp Marktanteile verloren.
ADHOC: Wie wollen Sie wieder aufholen?
LIEB: Die Apotheken müssen erkennen, dass niemandem geholfen ist, wenn der Großhandel rote Zahlen schreibt.
TRÜMPER: Es gibt Anzeichen, dass ein Umdenken stattfindet. Unsere Branche muss sich nach dieser hitzigen und emotionalen Phase ernsthaft fragen: Wollen wir in die Kisten 20-Euro-Scheine oder Medikamente legen?
ADHOC: Ist das neue Sparprogramm ein Auftrag von Stefano Pessina?
LIEB: Nein, das hat ausschließlich mit der Marktsituation zu tun. Wenn Sie kein Geld mehr verdienen, müssen Sie sehen, wo es Einsparpotenziale gibt. Sonst rutschen Sie in die roten Zahlen. Wir sind ja auch nicht der einzige Anbieter, der zum Rotstift greifen muss. Sie müssen aber auch sehen: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Und wir werden keine Niederlassung schließen.