Das AvP-Insolvenzverfahren dürfte sich noch mehrere Jahre hinziehen – zumal etliche Fragen gerichtlich geklärt werden sollen. Dieser Umstand lockt immer wieder Firmen an, die den betroffenen Apotheken Angebote machen, ihnen ihre Forderungen abzukaufen. Experten raten von solchen Deals in aller Regel ab.
Die von der Insolvenz des Rechenzentrums betroffenen Apotheken können nicht allzu bald mit einer Befriedigung ihrer – bis zu siebenstelligen – Ansprüche rechnen. In seinem jüngsten Bericht im Dezember hatte Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos vermerkt, dass mit einem Abschluss des Verfahrens frühestens 2024 zu rechnen sei.
Nun liegt die Pleite des Rechenzentrums beinahe anderthalb Jahre zurück. Selbst massiv betroffene Apotheke sollten also zwischenzeitlich Mittel und Wege der Finanzierung gefunden haben. Für akute Liquiditätsengpässe kommt also jede Hilfe zu spät. Doch gerade die Aussicht auf ein sehr zähes Verfahren könnte Apotheken zu dem Entschluss bringen, lieber jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, die Ansprüche – notfalls mit Verlusten – abzutreten.
Auf diese Karte setzt offenbar auch die Firma „PrimeShares World Markets“ aus New York. Jedenfalls berichten etliche AvP-Opfer, von Vice President Mike Winschuh angeschrieben worden zu sein. Seine Botschaft: „Bitte kontaktieren Sie mich, wenn Sie daran interessiert sind, den Anspruch Ihrer Apotheke in der Verwaltung der AvP Deutschland GmbH zu verkaufen. Mein Unternehmen kauft derzeit Ansprüche, daher gebe ich gerne Preise bekannt und beantworte alle Fragen, die Sie zum Prozess haben. Danke schön.“
Anders als die Mail vermuten ließ, spricht Mr. Winschuh kein Deutsch, wie sich in den teilweise anschließenden Telefonaten herausstellte. Aktuell werden wieder Apotheken angerufen. Auf Englisch mit dem Vertreter einer bis dahin unbekannten US-Firma über den Verkauf der Forderungen zu verhandeln – in allen APOTHEKE ADHOC bekannten Fällen hatten die Inhaber:innen dazu keine Muße und winkten dankend ab.
PrimeShares schickt dann noch eine zweite Mail hinterher und erneuert das Angebot: „Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben, mit mir über den Anspruch zu sprechen, den Ihre Apotheke in der Verwaltung der AvP Deutschland hat. Ich verstehe, dass derzeit kein Interesse daran besteht, die Forderung zu verkaufen, aber wenn ein Verkauf in Zukunft erneut in Betracht gezogen wird, haben Sie meinen Kontakt.“
Wie viele Apotheken angeschrieben wurden und ob tatsächlich Betroffene auf die Offerte eingegangen sind, war auf Nachfrage bei PrimeShares bislang nicht zu erfahren. Auch nicht, welche Abschläge auf ihre Forderungen die Apotheken abtreten müssen und wann die Firma selbst mit einem Abschluss des Insolvenzverfahrens rechnet.
AvP-Insolvenzverwalter Hoos sah sich schon dem Verdacht ausgesetzt, die Namen der Gläubiger selbst herausgegeben zu haben. Das sei natürlich nicht der Fall, versichert er. Es sei aber ein Insolvenzverfahren ein durchaus üblicher Vorgang, dass sich externe Firmen bei den Gläubigern meldeten. Solche Firmen kaufen sich einen kleinen Titel und haben damit Zugang zu den Akten. Nach einer internen Bewertung des Insolvenzverfahrens – und einer möglichen Quote – werden dann die nunmehr ebenfalls bekannten Gläubiger kontaktiert.
Lohnenswert sind solche Angebote für die Betroffenen eigentlich nie: Denn die Ankäufer der Forderungen kennen den Ausgang des Verfahrens natürlich auch nicht und kalkulieren entsprechend konservativ. Die vorab gezahlten Quoten dürften also im Durchschnitt deutlich unterhalb des eigentlichen Ergebnisses liegen. Solche Deals sind eher etwas für Gläubiger, die zu Beginn eines Insolvenzverfahrens dringend Liquidität benötigen oder sich aus anderen Gründen möglichst schnell aus dem Verfahren verabschieden möchten.
Im AvP-Prozess geht es derweil nur in kleinen Schritten voran. Hoos hat die Banken mit seinen Forderungen konfrontiert. Vor einem etwaigen Gerichtsverfahren könnte hier aber noch außergerichtlich verhandelt werden. Das Banken-Konsortium hatte AvP eine Kreditlinie über 245 Millionen Euro gestrichen und sich so zum Zeitpunkt der Insolvenz schadlos gehalten. Eine von Hoos beauftragte Kanzlei kam nach ihrer Prüfung zu dem Schluss, dass Aussichten auf Ansprüche „wegen unzulässiger Verrechnungen im Kontokorrent“ in Höhe von rund 143,2 Millionen Euro bestehen.
Ebenfalls noch in der Schwebe sind die geplanten Musterverfahren, in denen zentrale Fragen der Aussonderungsrechte geklärt werden sollen. Wegen der komplexen Sachlage und unterschiedlichen Vertragsbedingungen zwischen den betroffenen Apotheken und AvP wird es vermutlich mehrere Musterprozesse geben müssen. Die beteiligten Apothekerverbände und Anwält:innen der Apotheken stimmen sich hierzu derzeit noch ab.
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