Generikahersteller

Infectopharm: Kinder und Senioren

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Berlin -

Infectopharm steht in der Branche als Synonym für Kinderarzneimittel. Seit der Gründung hat sich das Familienunternehmen darauf spezialisiert, neue, kindgerechte Darreichungsformen für bekannte Wirkstoffe zu entwickeln. Damit trifft der Hersteller geschickt die Nische zwischen Discountanbietern und Rabattverträgen. Jetzt hat man im hessischen Heppenheim eine neue Zielgruppe entdeckt: Senioren, die mit der Einnahme von festen oralen Arzneiformen überfordert sind.

Unter der neuen Dachmarke Geriasan hat Infectopharm gerade Metformin und Gabapentin als Saft auf den Markt gebracht. Noch in diesem Jahr soll Donezepil folgen, weitere Einführungen in anderen Indikationen sind geplant. Im Fokus stehen Patienten mit Schluckbeschwerden – laut Geschäftsführer Dr. Markus Rudolph eine große Gruppe von überwiegend älteren Menschen, deren Probleme bei der Einnahme von Medikamenten bislang nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Rudolph zufolge leiden circa 14 Prozent der Menschen über 65 Jahre an Dysphagie in unterschiedlicher Ausprägung, deutschlandweit seien es etwa 5 Millionen Menschen. Im Altenheim seien 40 bis 50 Prozent betroffen, unter Patienten mit Demenz liege die Quote sogar bei 85 Prozent.

Mitunter werden Tabletten vom Pflegepersonal gemörsert, was laut Rudolph aber im Sinne einer leitliniengerechten Therapie nur bei fehlenden Alternativen in Betracht kommen sollte. Allzu oft bleibe das Problem gänzlich unerkannt und sei damit ein Hauptgrund für fehlende Compliance bei bis zu 75 Prozent der Senioren.

Bei Infectopharm wurde die medizinisch-wissenschaftliche Abteilung auf das Thema aufmerksam. Immer wieder gab es im Laufe der Jahre Anfragen von Ärzten, Apothekern und Mitarbeitern aus Altenheimen zur Anwendbarkeit – beispielsweise der antibiotikahaltigen Kindersäfte – bei Rentnern. Auch zur Sondengängigkeit bestimmter flüssiger Arzneiformen gab es einen Informationsbedarf.

Ende 2013 setzte sich der Hersteller mit Vertretern aus der Praxis zusammen, zwei Jahre lang hat man sich im Unternehmen dann auf die Erweiterung der Zielgruppe vorbereitet.

Rudolph schätzt, dass weniger als 1 Prozent aller Medikamente in flüssiger Form abgegeben werden. Gelegentlich gibt es Säfte auf dem Markt, zuletzt beispielsweise von Memantin-Generika. Mit Produkteinführungen alleine ist es nach seiner Ansicht aber nicht getan: Ärzte, Apotheker und Pflegekräfte müssten ein Bewusstsein für die Problematik bekommen, damit die betroffenen Patienten überhaupt identifiziert werden könnten. Die Krankenkassen dürfen die höheren Kosten nach Arzneimittelrichtlinie nämlich nur übernehmen, wenn Schluckbeschwerden diagnostiziert sind.

Weil Infectopharm keinen eigenen Außendienst hat, will der Hersteller sein wissenschaftliches Fortbildungsprogramm „Consilium“ nutzen. Zweifel daran, dass sich die Präparate durchsetzen werden, hat er aber nicht: An hochkonzentrierten Säften, die die erforderliche Dosierung auch in geringen Volumenmengen ermöglichen, führt aus seiner Sicht kein Weg vorbei. Zusätzlich ließen sich Wechselwirkungen vermeiden.

Infectopharm wurde 1988 von Monika und Dr. Manfred Zöller gegründet. Das erste Produkt war das Antibiotikum InfectoCillin, das kurze Zeit später auf den Markt kam. Das Ehepaar wollte Arzneimittel kindgerecht und mit einem besseren Geschmack anbieten. Um Aufmerksamkeit in den Kinderarztpraxen zu erlangen, setzte das Unternehmen von Anfang an auf Fortbildungen statt auf einen eigenen Außendienst.

Seit dem überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 2011 leitet die Firmengründerin das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Sohn Phillip. Neben Rudolph ist mit Produktionschef Dr. Norbert Stempel ein weiterer externer Manager an Bord. Das Unternehmen mit rund 150 Mitarbeitern erwirtschaftet knapp 80 Millionen Euro, ein Fünftel davon mit OTC-Produkten wie Neuroderm, InfectoPedicul und LomaHerpan.

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