Streit der Datenhändler Alexander Müller, 21.02.2014 14:20 Uhr
Beim Handel mit Rezeptdaten wird nicht nur die Frage einer ausreichenden Anonymisierung heiß diskutiert – auch über die Entstehung der Datensätze wird seit Jahren gestritten. Die Marktforschungsunternehmen IMS und Insight Health sind sich über die Verwendung einer Datenbank nicht grün. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG) verbuchen beide als Erfolg.
Zankapfel ist die Segmentstruktur „Regionaler Pharmazeutischer Markt 1860“, mit dem IMS seine Daten aufbereitet. In jedem Segment ist rechnerisch etwa ein Dutzend Apotheken zusammengefasst. Mit dieser Unterteilung des Bundesgebiets arbeiten auch die Pharmahersteller.
Seit vielen Jahren wird über die Verwendung der Datenbank gestritten: Bereits im Jahr 2000 klagte IMS gegen den Konkurrenten Pharmaintranet Information AG, die seit 2005 als Insight Health firmiert.
Der Vorwurf von IMS lautet, der Konkurrent habe die 1860er-Struktur einfach nur in 3863 Gebiete aufgeteilt und biete Herstellern zudem eine Rückführung in die alte Struktur an. Pharmaintranet habe sich die Datenbank zudem in Form von Raubkopien besorgt.
Das Besondere: Der heutige Geschäftsführer von Insight Health, Roland Lederer, war von 1988 bis 1999 bei IMS tätig. In dieser Zeit hatte IMS auch auf die neue Datenstruktur umgestellt. Ein ehemaliger Mitarbeiter aus Lederers Abteilung hat das Modell maßgeblich mitentwickelt; dieser ist im Verfahren einer der Kläger gegen Insight Health.
Das OLG hat Insight Health in der jetzt begründeten Entscheidung vom 12. November verboten, pharmazeutische Großhandelsdaten in einer durch bloße Teilung der 1860er-Struktur entstandenen Matrix anzubieten – mit oder ohne Konvertierungssoftware.
Dieser Unterlassungsanspruch wurde allerdings nicht IMS, sondern nur dem ehemaligen Mitarbeiter von IMS zuerkannt. „RPM 1860“ wurde aus Sicht des Gerichts nämlich nicht allein von IMS entwickelt: Im Rahmen von Workshops hatten Außendienstmitarbeiter von Pharmaherstellern eigene schöpferische Beiträge bei der Weiterentwicklung geleistet.
IMS trägt daher zwar die Hälfte der Verfahrenskosten, konnte aber auch einen Erfolg verbuchen: Insight muss darüber Auskunft erteilen, welche Geschäfte das Unternehmen in den Jahren 2001 bis 2003 mit der strittigen Datenbank gemacht hat. Für folgende Jahre gibt es laut Gericht keine Ansprüche: „RPM 1860“ beruhe auf einer älteren Segmentstruktur aus dem Jahr 1993. Damit sei die Schutzfrist von IMS im Jahr 2003 ausgelaufen.
IMS zeigte sich erfreut über die Entscheidung: „Da das Urteil vorläufig vollstreckbar ist, besteht nun – nach einem jahrelangen Rechtsstreit – die Möglichkeit, die rechtswidrigen Aktivitäten von Insight Health zu unterbinden. Weiterhin wurde Insight Health verurteilt, Auskunft über die entsprechenden rechtswidrigen Geschäfte in einem festgelegten Zeitraum zu erteilen, um eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs von IMS Health zu ermöglichen“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns.
Bei Insight freut man sich dagegen, „dass der von der IMS geltend gemachte Leistungsschutz an der 1860er Struktur im Jahr 2003 abgelaufen ist. Das von IMS erbittert verteidigte Monopol ist somit gebrochen.“ Lediglich einem früheren Mitarbeiter des Konkurrenten, der an der Schaffung der Struktur beteiligt war, erkenne das Gericht urheberrechtliche Ansprüche zu.
Auswirkungen auf das heutige Geschäft hat das Urteil laut Insight Health damit nicht: Aufgrund der kontinuierlichen Fortschreibung der eigenen Regionalstruktur sei eine 1:1 Überführung in die alte 1860er Struktur sowieso ausgeschlossen, heißt es.