Ab Juni startet das E-Health-Portal Vitabook das Marketing für sein neues „E-Rezept“. Neben den nach Unternehmensangaben 250.000 Vitabook-Usern sollen vor allem über Google neue Kunden geworben werden. Das Kapital für die Offensive liefert Vitabook-Gründer Markus Bönig unter anderem der Potsdamer Immobilienunternehmer Rolf Elgeti mit seiner Firma Hevella Capital. Elgeti hat mitgeholfen, das Eigenkapital von Vitabook um vier Millionen Euro aufzustocken. Mit frischem Geld will Bönig den Markt aufmischen.
Über seine Geschäftszahlen spricht Vitabook-Gründer Bönig nicht so gerne wie über sein Geschäftsmodell: 32 Mitarbeiter beschäftigt Bönig bei Vitabook. Über den Umsatz schweigt er sich aus. Aber um vier Millionen Euro habe Vitabook jetzt seine Eigenkapital aufgestockt, berichtet der Firmengründer. Damit soll der Markterfolg erkauft werden.
Sieben Millionen Euro seien bereits in die Entwicklung von Vitabook und das neue E-Rezept geflossen. Dass Vitabook rote Zahlen schreibt, ist für Bönig in dieser Phase trotzdem kein Problem: „Das ist eine Investition in die wachsende Patientenmenge. Vitabook tritt in Vorleistung. Die Refinanzierung läuft später über die Krankenkassen“, hofft Bönig.
Vitabook bietet ein elektronisches Nachfolgerezept an, das vom Patienten online bei seinem Wunscharzt angefordert werden kann. Außerdem wird eine Apotheke ausgewählt, die das Rezept beim Arzt abholen und das Medikament bereitstellen soll. Wählt der Patient eine der 517 Partnerapotheken, kann er sich das Medikament anschließend sogar nach Hause liefern lassen. Das Unternehmen lockt die Patienten mit einem Bonus von bis zu 15 Euro pro Rezept.
Bönig ist zuversichtlich, dass das Geschäftsmodell aufgeht: Nach seinen Angaben arbeitet Vitabook bereits mit 8490 Ärzten zusammen: „Die haben schon mal über Vitabook ein Rezept ausgestellt, die tun das“, so Bönig. Außerdem kann Bönig auf 517 Partner-Apotheken zugreifen. Bei diesen sollte die Bestellung ebenfalls kein Problem sein. Bönig setzt darauf, dass weitere Apotheken sich das Zusatzgeschäft über Vitabook nicht entgehen lassen wollen: „Wir reden nicht über Regen, wir sorgen dafür, dass Regen in der Apotheke ankommt.“
Den Bonus von 2,50 Euro pro Rx-Arzneimittel erhalten die Vitabook-Kunden aber nur, wenn die Apotheke mitspielt, erklärt Bönig. Verweigert eine Apotheke die Abholung beim Arzt, geht der Patient leer aus. Bei den 517 „patientenfreundlichen“ Partner-Apotheken sei dieser Service garantiert, so Bönig.
Nicht verstehen kann Bönig Kritik an seinem E-Rezept-Modell. Durch die Brille der Vitabook-Kunden betrachtet, handele es sich tatsächlich um ein E-Rezept: „Der Kunde registriert sich bei Vitabook, wählt am Computer den Arzt und die Apotheke aus und erhält das Arzneimittel auf Wunsch nach Hause geliefert. Er muss kein Papierrezept in die Hand nehmen“, so Bönig. Dass auf dem Weg vom Arzt zum Apotheker gleichwohl das herkömmliche Papierrezept transportiert werden muss, hält Bönig für Interessen geleitete Kritik aus Apothekersicht.
Auch rechtlich sieht Bönig in seinem Geschäftsmodell keine Probleme: Vitabook schicke im Namen des Patienten ein Fax an den Arzt, in dem er aufgefordert werde, das Folgerezept auszustellen. Das sei rechtlich genauso, als ob man das Rezept telefonisch anfordere. Der Patient entscheide, weder Arzt noch Apotheker „kuschelten miteinander“, aber der Patienten dürfe mit dem Arzt und Apotheker „kuscheln“.
Daher weist Bönig auch den Begriff „Rezept-Bonus“ für sein Rabattangebot als falsche Beschreibung vehement zurück. „Der Kunde erhält 2,50 Euro Bonus für die Bestellung des Nachfolgerezeptes beim Arzt“, so der Vitabook-Gründer. Ohne Bonus läuft aus Sicht von Bönig das Geschäft nämlich nicht: „Der Bonus hat für die Patienten Entscheidungsrelevanz, ebenso das E-Rezept.“
„Finanziert werden sowohl das E-Rezept als auch der Bonus von den gesetzlichen Krankenkassen“, hieß es kürzlich in der Vitabook-Mitteilung. Nach Angaben Bönigs ist bislang aber erst eine Krankenkassen an Bord. Den Namen verraten will er nicht. Nach seinen Angaben könnten aber demnächst 16 weitere Krankenkassen einsteigen. Der Deal läuft nicht übers Rezept, sondern über das Vitabook-Gesundheitskonto, eine Patientenakte.
Denn seit 2003 dürfen Kassen Patienten- oder Gesundheitsakten mit bis zu 150 Euro pro Jahr finanzieren. Das Geld will sich Bönig bei den Kassen abholen. Wenn alle 250.000 Vitabook-Kunden auf das neuen Angebot anspringen und die Marketingoffensive weitere Kunden anheuert, setzt Bönig darauf, dass er mit dem Vitabook Gesundheitskonto den Kassen eine interessante Patientenmenge anbieten kann.
Damit sich noch mehr Patienten bei Vitabook einschreiben, hat Bönig den „Therapiegenerator“ entwickelt. Dieser ist seit Mai aktiv. Dort können – nach Zustimmung durch den Patienten – Ärzte die Krankenakte des Patienten eintragen. Ein Programm wählt je nach Diagnose bestimmte Therapieoptionen aus. Der Patient erhält Informationen über seinen Medikationsplan und andere Therapiemaßnahmen, die er durchführen soll. Eintragen soll er dort sein individuelles Therapieergebnis.
Bönig sieht darin ein Tool für die Versorgungsforschung, das Facharztgruppen oder regionalen Ärztezusammenschlüsse angeboten werden soll. Auf dieser Basis arbeitet bereits eine Kooperation zwischen Vitabook und dem Landesverband der Pneumologen in Baden-Württemberg mit einer sogenannten Pneumo-App. Unterstützt wird das Projekt von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Krankenkassen, dem Sozialministerium und dem Ministerium zur Entwicklung des ländlichen Raums sowie vom Gesundheitsnetz Süd.
In einem ersten Schritt beteiligen sich circa 20 Pneumologen an dem Projekt, das am 1. Juli dieses Jahres starten soll. Nach der Diagnose erstellen sie gemeinsam mit dem Patienten im Vitabook-Konto einen konkreten Behandlungsplan. Der Patient wird über die elektronische Gesundheitsakte regelmäßig daran erinnert, seine Medikamente einzunehmen und sich an die Therapie zu halten. Er kann selbst erhobene Messungen und andere Daten im Vitabook-Konto ergänzen und seinem Pneumologen online zur Ansicht zur Verfügung stellen. Auch Hausarzt und Apotheker vor Ort lassen sich besser in die Therapie einbeziehen. Die Ärzte erhalten so unmittelbar Erkenntnisse über die Wirksamkeit ihrer Therapie. Nach diesem Modell will Bönig weitere Arztgruppen und für Vitabook Patientengruppen gewinnen und so sein Geschäft ausbauen.
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