Wenn vermeintlich apothekenexklusive Präparate im Mass Market angeboten werden, ist das für Apotheker zwar ärgerlich, aber nicht zu ändern. Der – vor allem online stattfindende – Handel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ist dagegen illegal, sofern die Abgabe nicht über eine Apotheke erfolgt. Das gilt auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel mit Produkten, die im Ausland nicht der Apothekenpflicht unterliegen.
Hinter der deutsch-niederländischen Grenze residieren nicht nur die größten Versandapotheken, die den hiesigen Apothekern das Leben schwer machen. Hinzu kommen Drogerien, die Ware nach Deutschland versenden, die nur hier der Apothekenpflicht unterliegt, im Nachbarland aber unter Aufsicht eines Drogisten verkauft werden können. Seuren Health aus Venlo etwa verkauft Hustensäfte wie Prospan über Amazon und einen eigenen Onlineshop an Kunden in Deutschland.
Laut Rechtsanwalt Moritz Diekmann von der Kanzlei Diekmann Rechtsanwälte ist dies ein klarer Verstoß gegen die Apothekenpflicht laut Arzneimittelgesetz (AMG). Dies könne bei fortgesetzter Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Da mit einer deutschen Hotline und einer deutschsprachigen Webseite die hiesige Kundschaft angesprochen werde, handele es sich eindeutig um ein auf den deutschen Markt ausgerichtetes Angebot, so Diekmann.
Zwar bieten die Drogerien anscheinend an sich in Deutschland verkehrsfähige Ware und nicht das niederländische Pendant an. Allerdings gilt die im Rahmen der Zulassung durch die Behörden wie des Bundesinsituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) getroffene Entscheidung über die Verkaufsabgrenzung auch im grenzüberschreitenden Handel. Ein Arzneimittel, das nicht von der Apothekenpflicht ausgenommen wurde, ist deshalb auch im grenzüberschreitenden Handel apothekenpflichtig. Dies basiert letztlich auf jahrzehntelanger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Nach Auffassung des EuGH obliegt es allein den Mitgliedstaaten zu entscheiden, zu welcher Gruppe ein Produkt zugehörig ist – ob es beispielsweise ein Nahrungsergänzungsmittel oder ein Arzneimittel ist. Zu dieser Entscheidungskompetenz zählt auch der Vertriebsweg und dieser führt Arzneimittel überwiegend in die Apotheke.
Die Kunden wiederum begehen jedoch keine Ordnungswidrigkeit, wenn sie sich Ware bei Drogerien bestellen, die hier nur in Apotheken erhältlich ist. Im AMG heißt es zwar: „Arzneimittel (…) die nicht (…) für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, dürfen (…) für den Endverbrauch nur in Apotheken und ohne behördliche Erlaubnis nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.“ Aber Gegenstand des Verbots ist nur ein Inverkehrbringen an den Endverbrauer.
Der Besteller begeht also keine Ordnungswidrigkeit. Der Versender kann dagegen wettbewerbsrechtlich belangt werden. Inwiefern die Behörden einschreiten ist dagegen Sache der jeweils national zuständigen Aufsicht.
Dasselbe gilt für den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die sich ein Kunde aus dem Ausland kommen lässt, ohne ein Rezept dafür einzureichen. Ob das Präparat im Entsenderland rezeptfrei erhältlich ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Aktuell stellte sich diese Frage Männern mit Erektionsstörungen, die sich den Arztbesuch ersparen wollten: In der vergangenen Woche hat die britische Arzneimittelagentur Pfizers Potenzpille Viagra (Sildenafil) aus der Rezeptpflicht entlassen. Seit dem OTC-Switch ist nur noch ein Beratungsgespräch mit dem Apotheker notwendig.
Männer hierzulande dürfen die blaue Pille trotzdem nicht einfach ohne Vorlage eines Rezepts bei einer englischen Apotheke bestellen. Es steht ihnen allerdings frei, nach Großbritannien zu reisen und dort ganz legal in einer Apotheke Viagra zu kaufen. Eine offensichtlich für den Eigenbedarf gedachte Menge darf man dann problemlos mit sich nach Deutschland einführen, mehr aber auch nicht.
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