Ich weiß, was du online billiger gesehen hast Alexander Müller, 17.08.2021 09:43 Uhr
Der Preis ist für viele Verbraucher:innen noch immer das Hauptargument, OTC-Arzneimittel online zu bestellen. Bei der Rabattschlacht der Versender können Apotheken vor Ort meist nicht mithalten. Damit sie sich zumindest aktiv positionieren können, bietet Pharmatechnik in der Software jetzt einen Vergleich mit Onlinepreisen. Wer ganz mutig ist, kann sogar vor Ort mit zwei verschiedenen Preisen operieren.
Pharmatechnik hat vor Monaten damit begonnen, in ausgewählten Apotheken ein neues Tool zu testen, bei dem gängige Internetpreise für bestimmte Produkte direkt in der Apotheken-EDV ausgespielt werden. In der Warenwirtschaft wird dieser Online-Preis dem „normalen“ Apothekenabgabepreis gegenübergestellt. Jetzt wird das Konzept ausgerollt, wie eine Sprecherin des Softwarehauses bestätigte: „Dabei geht es nicht darum, die Internetpreise zu unterbieten, sondern vielmehr darum, bei der Preisgestaltung gut informierte Entscheidungen zu treffen.“
Die Inhaber:innen können nämlich selbst entscheiden, ob sie den Onlinepreis übernehmen wollen beziehungsweise wie weit sie davon abweichen möchten. Laut Firmenchef Dr. Detlev Graessner sind ohnehin höchstens 200 Produkte in der Apotheke preissensitiv – und schon dieser Wert gilt nur für ausgemachte Pfennigfuchser. Bei der Mehrzahl der Artikel haben die allermeisten Kund:innen keinen Vergleichspreis im Kopf.
Den Internetvergleichspreise gibt es nur für die moderne Softwarelinie Ixos. Die Übersicht wird täglich aktualisiert und in drei Vergleichspreise aufgeteilt: Der „niedrige Internetverkaufspreis“ beschreibt die intensivste Rabattschlacht, hier liegen selbst 80 Prozent der Versandpreise höher. Der „normale“ Internetverkaufspreis meint, dass je die Hälfte der Versandhandelspreise höher und tiefer liegen. Den hohen Vergleichswert unterbieten wiederum 80 Prozent der Online-Anbieter. Damit kann sich die Apotheke vor Ort orientieren.
Das Tool Ixos.IPV steht allen Teilnehmer:innen des Management-Partnerapothekenprogramms von Pharmatechnik zur Verfügung. Diese zahlen zwar nichts für die Nutzung, stellen ihre Wirtschaftsdaten aber pseudonymisiert einem Panel zur Verfügung. Dafür erhalten sie etwa individuelle Auswertungen, Markt- und Potenzialvergleiche und OTC-Marktberichte.
Mit den Auswertungen aus dem Preisvergleich können die Inahber:innen ihre eigenen Verkaufspreise und Aktionen mit denen der Online-Konkurrenz vergleichen. Das sei nicht nur für die Angebotspreisgestaltung eine schnelle Hilfe, sondern soll auch vor Übereifer schützen: Schließlich muss niemand die aktuellen Internetpreisen noch immer weiter unterbieten.
Der „Siegeszug des Onlinehandels“ sei in der Corona-Pandemie noch bestärkt worden und betreffe auch den Versand von Medikamenten, begründet Pharmatechnik die Einführung des neuen Werkzeugs. Gerade in Zeiten des E-Rezepts werde es noch wichtiger, „mit marktgerechten und wettbewerbsfähigen Preisen die Umsätze in der Vor-Ort-Apotheke zu halten“. Und online finde der Wettbewerb eben vor allem über den Preis statt. Mitarbeiter:innen in Apotheken sollen mit dem neuen Tool auf die unvermeidlichen Debatten mit den Kund:innen vorbereitet werden: „Gut, wenn man in dieser Situation eine informierte Antwort geben kann und nicht etwa anfangen muss, vor dem Kunden eine Suchmaschine aufzurufen. Noch besser ist, wenn die eigenen Preise marktgerecht und wettbewerbsfähig sind.“
Weil dank Smartphones auf Kundenseite auch ein akuter Preisvergleich sehr leicht geworden ist, soll es bei Pharmatechnik noch eine weitere Lösung geben, die aber noch nicht offiziell beworben wird. Vermutlich, weil sie das Potenzial hat, für Missstimmung in der Offizin zu sorgen: Die Apotheker:innen können demnach entscheiden, dass in der App „Meine Apotheke“ ein anderer – günstigerer – Preis ausgegeben wird als in der Apotheke normalerweise verlangt wird. Damit können gezielt die Kund:innen angesprochen werden, die viele online Preise vergleichen – ohne dass sich die Apotheke insgesamt die Marge verdirbt.
Ein solches „Dynamic Pricing“ ist im Onlinehandel längst gang und gäbe. Wer über eine Preisvergleichsseite wie Medizinfuchs in den Shop eines Versenders gelangt, bekommt häufig einen anderen Preis angezeigt, als wenn er oder sie den Shop direkt angesteuert hätte. Ob sich Apotheken vor Ort in großem Stil auf solche Spielereien einlassen, bleibt abzuwarten.