Apotheker auf der DocMorris-Plattform

„Ich habe doch nichts zu verlieren“

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Berlin -

Wie soll man als Inhaber:in einer Vor-Ort-Apotheke mit dem DocMorris-Marktplatz umgehen? Ignorieren, auf Wettbewerb setzen – oder einen mephistophelischen Pakt eingehen? „Ich habe doch dadurch nichts zu verlieren“, sagt der Inhaber einer der ersten Apotheken auf der Plattform. „Ich kann doch nur Kunden zurückgewinnen, die schon bei DocMorris sind.“

Dass viele seiner Kollegen es komplett anders sehen, ist Michael Zimmermann bewusst – vor allem deshalb will der Inhaber, der in Wirklichkeit anders heißt, anonym bleiben. Dabei seien die Reaktionen in seinem eigenen Umfeld gar nicht ausschließlich negativ gewesen. „Die Kollegen, denen ich bereits davon erzählt habe, haben sehr unterschiedlich reagiert. Manche sagten, sie wollen das auf keinen Fall, andere wollen es auch probieren, wieder andere wollen erst einmal abwarten und schauen, ob es sich lohnt.“ Zimmermann selbst wollte nicht abwarten, er ist bereits seit gut zwei Wochen auf dem Marktplatz vertreten – und zieht eine durchwachsene erste Zwischenbilanz.

Vor rund zwei Monaten sei er durch eine Pressemitteilung von DocMorris auf den Marktplatz aufmerksam geworden, vor rund sechs Wochen dann habe er die Website mit dem Anmeldeformular gefunden – und es direkt ausgefüllt. „Daraufhin wurde ich von einer offenbar recht kleinen Agentur zurückgerufen, die das für DocMorris macht und anscheinend noch etwas laienhaft agiert. Zumindest machte es mir nicht den Eindruck, dass da die große Abteilung dahintersteht, die den DocMorris-Webshop führt.“ Es folgte ein weitergehendes Onlineformular samt Handelsregisterauszug, Approbation und Versandhandelserlaubnis und schließlich der Anschluss an die Warenwirtschaft – alles relativ schnell und unkompliziert, wie er betont.

Dafür sei vor allem die Anbindung an die Warenwirtschaft noch „ziemlich rudimentär“, wie Zimmermann betont. „Das ist momentan eine Bastellösung. Über die Schnittstelle wird nur im 15-Minuten-Takt mein Warenbestand aktualisiert. Die Bestellungen sehe ich aber noch nicht in der Warenwirtschaft, sondern nur in einem gesonderten Webportal, das auch noch etwas ruckelt. Man merkt, dass da noch dran gearbeitet wird. Bei ein paar Bestellungen am Tag geht das noch, wenn es aber mal 50 am Tag werden sollten, hätte ich schon gern eine richtige Einbindung.“ Von den 50 Bestellungen am Tag ist er aber noch weit entfernt – nach seiner eigenen Vermutung wohl auch, weil ihm ausgerechnet ein anderer Anbieter auf dem Marktplatz die Show stiehlt.

Zwei bis drei Bestellungen am Tag kämen bereits über DocMorris herein, sagt Zimmermann. „Aber dabei handelt es sich größtenteils um ein paar Exoten, die wir hier haben, zum Beispiel bestimmte Tierhomöopathika, oder aber um Artikel, die eigentlich außer Verkauf sind, für die es aber einen Nachfolgeartikel gibt“, erklärt er. Die würden bei ihm oftmals noch mit den alten Verpackungsdesign oder Namen angezeigt. „Ich verschicke dann ganz normal das Nachfolgeprodukt und hatte noch nie Beschwerden deshalb.“ Gängigere Präparate oder gar Schnelldreher werde er aber auf dem Marktplatz bisher nicht los – weil der Preiskrieg schon angefangen hat. „Mit Besamex ist auch einer der mittelgroßen Versender vertreten, der die Preise kaputtmacht. Vielleicht ist das sogar schon der Todesstoß für das ganze Konzept“, sagt er.

Denn er gehe davon aus, dass Besamex schon wegen seiner Preise die Hauptartikel abgreifen wird – und fragt sich, ob das wirklich so gewollt ist. „Der DocMorris-Kunde ist ja nicht der preissensibelste im Markt, andere Versender sind da günstiger. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass es im Sinne von DocMorris ist, da von Besamex unterboten zu werden und auf der Plattform als der teure Versender dazustehen.“ Umgekehrt habe er aber auch Verständnis. „Die müssen halt jeden auf die Plattform nehmen, um diskriminierungsfrei zu sein und wollen kartellrechtlich in keiner Weise angreifbar zu machen, vermute ich.“ Man könne Besamex natürlich nicht rausschmeißen, weil sie zu billig sind. Dennoch wäre es gut, „wenn denen mal jemand auf die Finger klopfen könnte, damit die nicht die Preise kaputtmachen“, sagt er.

Doch bis dahin sehe er dem Treiben auf dem Marktplatz noch recht gelassen entgegen, denn es sei ohnehin erst einmal nur ein Testballon, der ihn kaum was koste – und der mögliche Gewinn sei viel größer als diese Kosten. Denn bis einschließlich dem dritten Quartal ist die Listung kostenlos, „weil auch die ihre Anlaufschwierigkeiten haben und erst mal sehen müssen, dass sie genug Apotheken auf die Plattform kriegen.“ Allerdings geht pro OTC-Bestellung eine Provision von 10 Prozent an DocMorris. „Das ist eher der untere Rand, Amazon beispielsweise nimmt 15 Prozent. Ich finde das ok dafür, dass sie die Reichweite bereitstellen und die gesamte Zahlungsabwicklung übernehmen.“

Im vierten Quartal kommt dann eine monatliche Pauschale von 400 Euro hinzu – ob die sich rechnet, könne er aber noch nicht wissen. Denn bisher sei der Marktplatz nur für OTC- und Freiwahlprodukte offen, Rx komme voraussichtlich im zweiten Quartal. „Spannend wird es erst, wenn die Rezepte ins Spiel kommen, OTC ist ja bisher nur Kleinkram. Bei 400 Euro brauche ich schätzungsweise 20 bis 25 Rezepte, damit sich das rechnet. Wirklich Spaß macht es wahrscheinlich erst ab 50.“ Und wenn sich abzeichnet, dass die nicht reinkommen? „Wir wissen alle noch nicht, wie das wird. Aber wenn nicht genug kommt, kann ich immer noch aufhören. Es gibt sehr kurzfristige Kündigungsfristen, jeweils zum Monatsende.“

Auch wegen dieser Sicherheit, schnell wieder aussteigen zu können, wolle er dem Marktplatz eine Chance geben. „Ich will das erst mal ein halbes Jahr oder ein Jahr ausprobieren und wenn es mich am Ende 400 Euro im Monat gekostet hat, dann ist das halt so. Aber dann habe ich es wenigstens versucht. Wenn ich am Ende des Tages 100 Stammkunden wiedergewinne, hat sich das doch für mich gelohnt.“ Er wisse selbst von Stammkunden, die zu den Versendern abgewandert sind und glaube, dass die Erwartung zumindest nicht unrealistisch ist, die über die lokale Anbindung zurückzugewinnen. „Der Kunde will heutzutage nun einmal die bequeme Variante. Da kann ich mich auf die Hinterbeine stellen und sagen, dass ich gegen den Versandhandel bin, wie ich will. Dadurch gewinne ich aber keinen einzigen Kunden zurück.“

Über neue digitale Services wie die Same Day Delivery beispielsweise könne das aber funktionieren. Wie genau die abläuft, kann er noch gar nicht sagen – die Funktion wurde erst Mitte dieser Woche freigeschaltet. Er plane gerade, wie er das organisiert: Auf der Plattform kann er einen PLZ-Bereich angeben, in dem er über seinen Botendienst liefern kann. Nun erwäge er, den Beriech durch einen externen Dienstleister noch auszuweiten – muss dann aber gut rechnen. „Wenn DocMorris sagt, ab 20 Euro wird kostenlos geliefert, kann ich nicht nochmal 6 Euro für den Dienstleister drauflegen.“ Auch die Frage sei aber noch nicht akut – bisher sei die Same Day Delivery nämlich nur über iOS verfügbar – so wie der gesamte Marktplatz bisher nicht via Brwoser, sondern nur als App verfügbar ist.

Warum über den Marktplatz überhaupt eine Same Day Delivery angeboten wird, erschließt sich Zimmermann – wie manch anderer Aspekt der Plattform – nach eigenen Angaben noch nicht. „Es wundert mich ein bisschen, weil das Hauptgeschäft von DocMorris ja eigentlich die Chroniker sind, bei denen es auf eine schnelle Lieferung gar nicht so ankommt“, sagt er. „Ich verstehe aber ohnehin deren Intention nicht so ganz, warum die ihre Kunden anderen zugänglich machen. Am Ende weiß aber wohl auch DocMorris, dass der Hauptgegner nicht in den Vor-Ort-Apotheken sitzt, sondern in den USA. Und wenn man sich da ein paar Verbündete sichern kann, ist das doch gut.“

Es sei überhaupt noch nicht ausgemacht, ob sich das Konzept überhaupt bewährt. „Die haben sich ja schon einmal mit ihrem Filialgeschäft die Finger verbrannt.“ Ein Grund, sich nicht zu beteiligen, sei aber auch das nicht. Nicht nur könne er ja immer aussteigen, sondern er betont, wie wichtig es sei, sich an der Weiterentwicklung des Marktes zu beteiligen. „Ich hatte da nie grundsätzliche Berührungsängste, ich kann solche Entwicklungen ja eh nicht aufhalten, sondern mich nur beteiligen. Schon als es 2004 anfing mit dem Versand, haben manche ihre Schaufenster zugehängt und andere einen Webshop eingerichtet. Ich denke, dass das mit dem DocMorris-Marktplatz ein Win-Win-Geschäft werden kann. Am Ende des Tages ist der Markt groß genug für uns alle.“

 

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