Iberogast

Fanta 9 für die Nummer 1

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Berlin -

Steigerwald war bereits einige Jahre am Markt, als Wissenschaftler des Hauses dem Management eine Kombination aus neun verschiedenen Heilpflanzen vorstellten, die dem Unternehmen zum Durchbruch verhelfen sollte. 1959 stand der Name, ein Jahr später ging Iberogast in Produktion. Heute gehört das Magenmittel nach Sinupret (Bionorica) zu den erfolgreichsten pflanzlichen OTC-Produkten – und zum Portfolio des Pharmakonzerns Bayer, der demnächst die Leine enger fassen könnte.

Steigerwald wurde 1951 von Karl Megerle als homöopathisches Unternehmen gegründet; bereits im Gründungsjahr hatte die Firma mehr als 80 Arzneimittel im Portfolio. 1956 wurde ein modernes Firmengebäude in Darmstadt bezogen, bis heute Hauptsitz des Unternehmens. Die Produktion fand zunächst in mühevoller Handarbeit statt ― von der Extraktion über die Mischung bis hin zur Abfüllung und Verpackung.

Wurde Iberogast noch auf der Basis des allgemein verfügbaren Wissensstands zu Heilpflanzen entwickelt, investierte Steigerwald zunehmend in die wissenschaftliche Erforschung. In den 1980er Jahren wurden elf kleinere Studien in Auftrag gegeben. 1986 wurde in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Hermann Philipp Theodor Ammon von der Universität Tübingen das duale Wirkprinzip der „fantastischen Neun“ entdeckt. Parallel wurden die ersten Packungen im Ausland verkauft.

In den 1990er Jahren wurden die ersten placebokontrollierten Studien durchgeführt und weitere Wirkmechanismen identifiziert. Bis heute wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit nach Firmenangaben an mehr als 50.000 Patienten untersucht. Parallel konzentrierte sich Steigerwald auf die Erforschung von Johanniskraut – Psychotonin war weltweit das erste Hypericum-Präparat zur Behandlung depressiver Verstimmungen. Es folgten weitere Produkte, bis 1998 Laif auf den Markt kam, das heute neben Iberogast das erfolgreichste Präparat des Unternehmens ist.

Mit rund 11 Millionen Packungen gehört Steigerwald nach Bionorica (17 Millionen Packungen) und Engelhard (13 Millionen Packungen) und vor Schwabe und Klosterfrau (je 9 Millionen Packungen) sowie Siemens/Sidroga (8 Millionen Packungen) zu den erfolgreichsten deutschen Phytoherstellern.

Doch die Risiken wurden in den vergangenen Jahren immer offensichtlicher: 90 Prozent des Umsatzes entfallen auf Iberogast; ansonsten hat das Unternehmen nur ein Dutzend kleinerer Präparate wie Phytodolor und Phytohustil im Sortiment. Auch der Exportanteil lag zuletzt bei vernachlässigbaren 9 Prozent – anders als vergleichbare Unternehmen hatte Steigerwald die Internationalisierung verschlafen.

Als die Pensionierung des langjährigen Firmenchefs Dr. Marcel Robroeks nahte, stimmten im Frühjahr 2013 Getraud Möller, Tochter des Firmengründers, sowie ihre drei Kinder Rainer und Klaus Möller sowie Andrea Weißmantel dem großzügigen Angebot aus Leverkusen zu.

218 Millionen Euro legte Bayer für das Familienunternehmen mit einem Umsatz von 61 Millionen Euro auf den Tisch; ein Preis, bei dem interessierte Mitbewerber wie Bionorica abwinken mussten. Schon wenige Wochen nach der Übernahme zog mit Christian Sarto ein Bayer-Manager in die Geschäftsführung ein.

Für den Pharmakonzern, der den Anspruch hat, die Nummer 1 im globalen OTC-Geschäft zu sein, soll Steigerwald zum Nukleus für einen neuen Geschäftsbereich werden: Mit einer Kombination aus chemischen und pflanzlichen Präparaten wolle man künftig „smarter“ daher kommen, sagte unlängst Konzernchef Marijn Dekkers. Derzeit wird nicht nur die Einführung von Iberogast und Laif in neuen Märkten vorbereitet, sondern dem Vernehmen nach auch die Erweiterung der Marke (Iberobalance, Iberorelief).

Bei der Übernahme hatte der Konzern zwar versprochen, die bestehenden Strukturen in Darmstadt und im Vertrieb zu erhalten. Bayer verpflichtete sich, alle 180 Mitarbeiter zu übernehmen; betriebsbedingte Kündigungen sollte es nicht geben, hieß es. Doch das Ende der Schonfrist war von Anfang an für 2015 angesetzt. In der Branche halten sich Gerüchte, dass die Integration schon im Sommer anrollen könnte.

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