Leberschäden

Iberogast: Abverkäufe rückläufig

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Berlin -

Die Debatte um schwerwiegende Nebenwirkungen des pflanzlichen Magenmittels Iberogast hat viele Verbraucher verunsichert. Seit das Thema im März für erste Schlagzeilen sorgte, sind die Abverkäufe in den Apotheken um 8 Prozent eingebrochen. Mit dem Warnhinweis, der demnächst in die Packungsbeilage aufgenommen wird, könnte es den Hersteller Bayer noch härter treffen.

Nach Zahlen von Insight Health lagen die Abverkäufe in den Apotheken vor Ort mit knapp 700.000 Packungen im März noch 2,5 Prozent über dem Vorjahr. Danach ging es rapide bergab: Nach 6,7 Prozent weniger im April, kam im Mai der deutlichste Einbruch: Um 13,9 Prozent lag der Absatz niedriger als im Vorjahresmonat. Auch Juni, Juli und August waren mit 4,3 Prozent, 7,5 Prozent beziehungsweise 6,6 Prozent rückläufig. In den sechs Monaten wurden knapp 60.000 Packungen weniger verkauft als im gleichen Zeitraum 2017.

Besser lief es im Versandhandel: Hier lagen die Wachstumsraten nur im April und im August im Bereich von rund 3 Prozent; ansonsten legten die Abverkäufe je nach Monat zwischen 12 Prozent (März) und 18 Prozent (April) zu. Der Versandhandelsanteil liegt damit stabil bei circa 15 Prozent.

Allerdings sind bei Iberogast generell unterjährige Schwankungen bei den Abverkaufszahlen zu verzeichnen. In den Wintermonaten steigen die Absätze regelmäßig, in den Sommermonaten ist die Nachfrage geringer. Um bis zu 50 Prozent kann der Anstieg sein, wenn es in Richtung Weihnachten geht. Dann profitieren vor allem die Apotheken vor Ort, der Versandhandelsanteil sinkt auf bis zu 10 Prozent.

Das erklärt freilich nicht den aktuellen Einbruch im Vorjahresvergleich. Eine Erklärung könnte die öffentliche Debatte um Leberschäden sein. Anfang des Jahres wurden Warnhinweise in der Schweiz eingeführt; die Arzneimittelbehörde Swissmedic wollte nicht bis zum Abschluss des laufenden Gerichtsverfahrens warten. Auch in Deutschland hatte Bayer gegen die Anordnung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geklagt.

Im Februar machte die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche Iberogast zum Thema. Sie erkundigte sich in einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung, wieso Bayer das Mittel bis zur gerichtlichen Klärung weiter ohne Warnhinweis vermarkten darf. Weil die Antwort für sie unbefriedigend war, ging sie an die Presse. Seitdem sind die Risiken ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt.

Eine zweite Erklärung könnte nach Branchenbeobachtern sein, dass Bayer bereits seit zwei Jahren in Sachen Iberogast auf dem Gaspedal steht. Seit Ende 2016 wird regelmäßig für das Magenmittel im Fernsehen geworben. Werbeexperten wissen, dass sich TV-Kampagnen nicht ewig verlängern lassen.

Iberogast enthält neben Bitterer Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmel, Mariendistel, Melisse, Pfefferminze und Süßholz auch Schöllkraut. Die Arzneidroge ist in Deutschland umstritten. Für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist der Nutzen nicht belegt. Von der Droge gehe gar ein erhebliches gesundheitsschädliches Risiko aufgrund von Leberschäden aus, hieß es von der Behörde.

Schon 2005 wurde ein Stufenplanverfahren zu Schöllkraut eingeleitet. Für Arzneimittel mit mehr als 2,5 mg Gesamtalkaloide wurde 2008 die Zulassung widerrufen. Bei Präparaten, deren Tagesdosis zwischen 2,5 µg und 2,5 mg Gesamtalkaloide beträgt, wurde ein Warnhinweis in der Packungsbeilage gefordert.

Weil Bayer Widerspruch einlegte, ging der Fall vor Gericht. Erst ein im Juni gemeldeter Todesfall hat den Konzern zum Einlenken bewegt, im September sollen die Produktinformationen angepasst werden.

Bislang wurden rund 40 Spontanmeldungen zu Fällen hepatotoxischer Reaktionen unter der Einnahme von Schöllkraut bis hin zu Hepatitiden dokumentiert, allerdings war kein Hinweis im konkreten Zusammenhang mit Iberogast eingegangen. Zum Vergleich: Bei Umckaloabo hatten 30 Spontanmeldungen zu möglichen Leberschäden ausgereicht, um das Produkt zu beschädigen und die Umsätze auf Jahre in den Keller zu schicken.

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