Dosierungsangaben

Homöopathika: EuGH muss entscheiden APOTHEKE ADHOC, 13.11.2018 08:57 Uhr

Berlin - 

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Apotheker – oder den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Richter in Luxemburg müssen entscheiden, ob registrierte Homöopathika mit einer Dosierungsangabe versehen sein dürfen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) legte eine Klage der Deutsche Homöopathie-Union (DHU) gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Vorabentscheidung vor.

Die DHU wollte 2011 zwei Schüßler-Salben als Großpackungen registrieren lassen: Calcium fluoratum Salbe N D4 (Biochemisches Funktionsmittel Nr. 1) und Silicea Salbe N D 4 (Biochemisches Funktionsmittel Nr. 11). Die aus den anderen Packungsgrößen bekannten Dosierungsempfehlungen – ein- bis zweimal täglich auftragen – sollten übernommen werden.

Doch das BfArM lehnte ab. Die Behörde hatte bereits im November 2009 angekündigt, künftig keine Dosierungen bei registrierten Homöopathika mehr zuzulassen. Stattdessen soll unter den Warnhinweisen vermerkt werden, dass zu Dosierung, Dauer und Art der Anwendung ein homöopathisch erfahrener Therapeut befragt werden sollte.

Der Fall ging vor Gericht. Die Anwälte der DHU argumentierten, dass die Selbstmedikation ohne Angaben zur Dosierung „durch die Hintertür“ ausgeschlossen und eine mit dem Gesetz unvereinbare faktische Verschreibungspflicht begründet werde. Auch wenn sich die homöopathische Therapie nach dem Einzelfall richte, lasse sich aus den Monographien eine einheitliche Dosierungsempfehlung zumindest ableiten. Dazu komme, dass Angaben zur Dosierung bei der Registrierung gefordert würden und dass das BfArM in anderen Fällen auch Registrierungen mit entsprechenden Angaben erteilt habe.

Außerdem könnten Packungsbeilagen zusätzliche Angaben enthalten, die für die Information des Patienten wichtig seien – gerade Hinweise zur richtigen Anwendung garantierten erst die Unbedenklichkeit, so die Anwälte weiter. Andernfalls bleibe es dem Patienten überlassen, ob er sich den Rat eines Therapeuten zur Dosierung hole oder ob er sich die Informationen anderweitig beschaffe. Dies habe mit der Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nichts zu tun.

Da das BfArM auf den Warnhinweis verzichtete, wurde nur noch über die Dosierempfehlung gestritten. Nach dem Verwaltungsgericht Köln (VG) erklärte auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) entsprechende Angaben für unzulässig. Anders als bei zugelassenen homöopathischen Arzneimitteln seien bei registrierten Präparaten im Arzneimittelgesetz (AMG) keine Angaben zu Anwendungsgebiet und Dosierung vorgesehen – und damit auch nicht zulässig.

Die Dosierung bezeichne den Bereich zwischen therapeutischem Erfolg und den potentiellen Risiken und stehe deshalb in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zulassung von Anwendungsgebieten. „Diese Funktion kann die Dosierung bei der Registrierung von homöopathischen Arzneimitteln nicht erfüllen, weil ein zugelassenes Anwendungsgebiet und darauf bezogene Wirksamkeitsnachweise fehlen“, heißt es im Urteil des OVG.

Die Festsetzung einer Dosierung sei daher im Sinne der Unbedenklichkeit nicht erforderlich, da diese bereits durch den Verdünnungsgrad garantiert werde: Der Registrierung liege die Annahme zugrunde, dass diese grundsätzlich unbedenklich seien. „Nur dies rechtfertigt das besonders vereinfachte Registrierungsverfahren.“ Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass ab einer bestimmten Verdünnungsstufe keine Risiken mehr existierten, die durch die Dosierung beeinflusst werden könnten. „Dass dies nach dem Selbstverständnis der homöopathischen Therapierichtung anders gesehen werden mag, […] ist unerheblich“, so die Richter.

Die toxikologische Unbedenklichkeit müsse auch bei einer freien Wahl der Dosierung aufgrund der Verdünnungsstufe oder aufgrund von Warnhinweisen gewährleistet sein. Eventuellen Risiken sei durch Warnhinweise zu begegnen, etwa eine bestimmte Menge pro Tag nicht zu überschreiten oder bei Auffälligkeiten einen Arzt hinzuzuziehen.

Eine generelle Dosierungsanleitung sei daher auch nicht als freiwillige Angabe für die gesundheitliche Aufklärung des Patienten zulässig: Laut OVG hat der Gesetzgeber durch die Marktzulassung von homöopathischen Arzneimitteln ohne ein Anwendungsgebiet für die Selbstmedikation dem Verbraucher zugebilligt, sich über die richtige Anwendung dieser toxikologisch unbedenklichen Arzneimittel selbst zu informieren. Die Gefahr der Verschleppung einer Krankheit bei Unwirksamkeit der Eigenbehandlung werde durch differentialdiagnostische Hinweise erfasst.

Auch die fachliche beziehungsweise fachwissenschaftliche Einschätzung etwa der Kommission D sei in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung – der Gesetzestext lässt den Richtern zufolge keine Fragen offen. Ohne Belang ist laut OVG auch die Tatsache, dass auch bei zugelassenen Homöopathika eine Dosis-Wirkung-Beziehung fehlt, also keine Abhängigkeit des Behandlungserfolges von der Menge des zugeführten Arzneistoffes besteht.

Das BVerwG hatte bereits 2009 in einem Verfahren zu Glonoinum Vertigo Hevert klargestellt, dass zugelassene Homöopathika Hinweise zur Dosierung enthalten können. Wie die Sache bei registrierten Präparaten aussieht, wollen die Richter aus Leipzig nun von ihren Kollegen aus Luxemburg wissen. Welche konkreten Fragen der EuGH beantworten soll, ist noch nicht bekannt. Schon das OVG sah grundsätzlichen Klärungsbedarf, ob Dosierungsangaben Gegenstand der Registrierungsentscheidung eines homöopathischen Arzneimittels sind oder zumindest in die Packungsbeilage aufgenommen werden können.

Homöopathika können vom BfArM zugelassen werden; dabei werden die Erfahrungen der homöopathischen beziehungsweise anthroposophischen Therapierichtung berücksichtigt. Die beanspruchte Indikation wird anhand von Literaturangaben zu den therapeutischen Ergebnissen abgeleitet.

Weil sich die Wirksamkeit – trotz des vereinfachten Verfahrens – mitunter nicht belegen lässt, gibt es zusätzlich die Möglichkeit, homöopathische Produkte registrieren zu lassen. Voraussetzung ist ein Verdünnungsgrad von mindestens 1:10.000 (D4/C2) und ein Sicherheitsabstand von 1:100 zu einer möglicherweise verschreibungspflichtigen Konzentration.

Bei der Registrierung muss der Hersteller lediglich Qualität und Unbedenklichkeit nachweisen. Eine Indikation haben solche Produkte nicht. Aktuell sind laut BfArM rund 1250 zugelassene und 3600 registrierte Homöopathika auf dem Markt.