Hofmann & Sommer

Hingfong, Dreierlei und Rossmann-Eigenmarke

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Berlin -

In Apotheken ist der thüringische Hersteller Hofmann & Sommer vor allem wegen der früheren DDR-Marken Dreierlei-Tropfen und Hingfong bekannt. Das vor 110 Jahren gegründete Familienunternehmen hat nach der Wende in den Wiederaufbau investiert. Treibende Kraft war der heutige Geschäftsführer Dr. Ernst-Josef Strätling, der die Firma mit seiner 20-jährigen Erfahrung bei Berlin-Chemie wieder aufbaute.

Hofmann & Sommer geht auf die Geschwister Franz Hofmann und Anna Sommer zurück. Zunächst wurden in dem Laborantenbetrieb in Königsee verschiedene Liquida, Salben, Balsame, Pflaster, Zahnpasten und Branntweinerzeugnisse hergestellt. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es die Hingfong-Essenzen und den Melissengeist. Die Produkte wurden direkt an Apotheken und private Haushalte geliefert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Entwicklung Schub auf. Paul Hofmann, der Neffe der Gründer, leitete das Unternehmen ab 1946. Er trieb die industrielle Entwicklung voran und versuchte, die Firma trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der sowjetischen Besatzungszone zu modernisieren. Das breite Sortiment kürzte er auf pharmazeutische Liquida, Tees und Alkoholika. Die Produktion wurde gleichzeitig ausgebaut.

Doch wie in anderen privat geführten Unternehmen blieb auch bei Hofmann & Sommer der staatliche Eingriff des SED-Regimes nicht aus. 1958 wurde das Unternehmen aufgrund des DDR-Volkswirtschaftsplanes zwangsweise in eine Kommanditgesellschaft mit staatlicher Beteiligung (BSB) umgewandelt. Als Gesellschafter wurde der bisherige Wettbewerber VEB Pharmazeutische-Chemische Fabrik Meuselbach eingesetzt, der seit 1996 als Krewel-Meuselbach firmiert.

1972 wechselte die Geschäftsführung: Barbara Fischer folgte auf ihren Vater. Im gleichen Jahr wurde die Gesellschaft zwangsverstaatlicht und trat unter dem Namen VEB Pharmazeutika Königsee auf. Trotz der Enteignung blieb Fischer als Betriebsleiterin im Unternehmen und setzte Modernisierungsprozesse wie eine Teilautomatisierung in der Produktion durch.

Doch die Degradierung ging weiter: Anfang der 1980er Jahre kam es zu weiteren Eingliederungen – zunächst in die VEB Ankerwerk Rudolstadt, später in die VEB Pharmazeutisches Kombinat Germed Dresden. 1984 wurde der Betriebsteil Königsee aufgelöst, die Liquidaherstellung stoppte. Von der Firma blieb in der DDR bis zur Wende die Produktion der Ohrstöpsel Cellichnol und Nachweisfolien für chemische Kampfstoffe im Auftrag der Nationalen Volksarmee (NVA) übrig.

Nach der Wiedervereinigung stellte Fischer 1990 die ersten Anträge auf Rückgabe des enteigneten Betriebs. Ihre Anfrage wurde abgelehnt, weil das Unternehmen in seiner damaligen Form nicht mehr existierte. Hofmann & Sommer wurde aus der neu entstandenen Ankerpharm (heute Aeropharm/Sandoz) ausgegliedert und von der Treuhand übernommen.

Über einen Briefwechsel kam der Kontakt mit Strätling zustande. Der Chemiker war bis 1992 rund 20 Jahre im VEB Berlin-Chemie tätig, zuletzt leitete er den Bereich Chemie. Seine Frau Elisabeth war in der Produktion beschäftigt. Angesichts der Veränderungen kontaktierte Strätling Fischer und knüpfte alte Bande neu.

Der Chemiker wurde daraufhin Bevollmächtigter von Fischer. 1991 erwirkte er einen Überlassungsvertrag von der Treuhand. Doch erst zwei Jahre später war die Reprivatisierung komplett abgeschlossen. Am 1. Juli 1993 begannen Produktion und Vertrieb offiziell. „Nach der Wende mussten wir neu lernen, mit Arzneimitteln ein Geschäft zu machen“, sagt der heute 75-Jährige. Mit der Erfahrung von Berlin-Chemie, das von dem italienischen Unternehmen Menarini übernommen wurde, wechselte das Ehepaar nach Thüringen. „Ich hatte die Chance, mit Hofmann & Sommer einen Betrieb neu aufzubauen, aber keine Verkaufserfahrungen oder -beziehungen.“

Strätling setzte auf das Drei-Säulen-Modell: Lohnherstellung, Eigenproduktion und Homöopathie. Heute wird das Hauptgeschäft mit Auftragsarbeiten erwirtschaftet. Ein bekannter Kunde ist Rossmann, für den die Firma Produkte für die Eigenmarke Altapharma herstellt. Insgesamt werden mit rund 80 Mitarbeitern Verkaufserlöse von rund 9 Millionen Euro erzielt.

Mit Zukäufen wurde die Produktion stetig ausgebaut. 2008 wurde die von Apothekern gegründete Firma Pharma Pößneck übernommen, die Salben, Cremes und Liquida herstellte. Im vergangenen Jahr wurde an dem Standort für rund 1,4 Millionen Euro eine neue Liquida-Fertigung gebaut.

Das Sortiment an eigenen Produkten umfasst etwa 25 Marken, die aktiv vertrieben werden. Die umsatzstärksten Eigenmarken sind Dreierlei-Tropfen mit rund 320.000 Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP). Dahinter liegen die Standardzulassung Ethanol 70 Prozent mit rund 290.000 Euro, Hingfong-Essenz mit rund 240.000 Euro und die Standardzulassung Isopropylalalkohol 70 Prozent mit rund 215.000 Euro.

Besonders stolz ist Strätling auf den Geschäftsbereich Alternativmedizin: „Heute sind wir im homöopathischen Bereich eine nennenswerte Größe.“ Immer mehr Therapeuten fragten nach patientenindividuellen Rezepturen. Heute werden rund 300 Heilpraktiker beliefert. Damit knüpft Hofmann & Sommer an die naturheilkundliche Tradition der Gründungsjahre an. Das Erbe der 2005 verstorbenen Firmengründerin hat die Familie angetreten.

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