Hexal bangt um Biosan Nadine Tröbitscher, 24.10.2019 14:58 Uhr
Hexal und der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) treffen sich am kommenden Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München (OLG). Verhandelt wird in der Berufungssache in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Biosan-Portfolio. Gestritten wird über unzulässige Werbeaussagen. Für Biosan AAD Plus könnte es eng werden.
Hexal hat Biosan in vier Varianten auf dem Markt: Basis „für die tägliche Balance“, Immun als „Power für ein gesundes Immunsystem“, Stress als „Nervennahrung bei Stress“ und AAD Plus als „Probiotikum bei Antibiotika-assoziiertem Durchfall (AAD)“. Im Gegensatz zu den anderen drei Varianten, die als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, ist AAD Plus als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke eingestuft.
Zur Einführung der Produkte im vergangenen Oktober hatte Hexal umfangreiches Marketing- und Schulungsmaterial erstellen lassen. Strittig ist unter anderem ein Flyer, der über das Produktportfolio informierte und Informationen über die einzelnen Inhaltsstoffe und Packungsgrößen lieferte. Der VSW will mit einer einstweiligen Verfügung erreichen, dass schon die Verwendung der Bezeichnung „Bio“ für die Präparate untersagt wird. Hexal soll ebenfalls untersagt werden, Biosan AAD Plus als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke beziehungsweise zur diätetischen Behandlung von Antibiotika assoziierter Diarrhoe in den Verkehr zu bringen.
Der VSW hat eine Vielzahl von Einzelanträgen gestellt. Stimmt das OLG zu, sind künftig Werbeaussagen wie „aktive & natürliche Darmbakterien“, „Die Innovation jetzt auch in Deutschland“, „die bewährten Produkte“, „enthält einen einzigartigen Multi-Bakterienkomplex aus bis zu 70 Milliarden aktiven & natürlichen Darmbakterien“, „für eine effiziente Besiedelung des Darms“, „Bis zu 70 Milliarden Bakterien. Weil mehr besser ist.“, „Höhere Dosis, bessere Wirkung“ tabu.
Schon der Namensbestandteil „Bio“ ist irreführend, findet der VSW. Verbraucher assoziierten mit der Vorsilbe, dass sich das Produkt gegenüber anderen gleichartigen Produkten durch eine besondere natürliche Herkunft sowie Herstellungsweise auszeichne. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben. Denn die enthaltenen Bakterienstämme würden im Labor in ihren biochemischen Eigenschaften verändert und gezüchtet. Dabei handele es sich nicht um Bakterienstämme, die aus dem menschlichen Darm stammten, und damit um keine natürlichen Darmbakterien.
Strittig ist außerdem die Bezeichnung Stress, denn diese würde beim Verbraucher die Erwartung wecken, dass das Produkt generell gegen stressbedingte Darmbeschwerden wirke. Ähnliche Probleme hatten auch Allergosan mit OmniBiotic Stress und Stada mit Probielle. Es folgte eine Umbenennung in SR-9. Auch hier war der VSW gegen die irreführende Kennzeichnung und und Werbung des Nahrungsergänzungsmittels vorgegangen.
Eng könnte es nun für Biosan AAD Plus werden. Die erforderliche ernährungsphysiologische Wirkung für die „Antibiotika-assoziierte Diarrhoe“ ist aus Sicht des VSW wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Somit sei das Präparat nicht verkehrsfähig. Schließlich bestehe keine ernährungsphysiologische Wirkung. Der Suffix „Plus“ suggeriere zudem eine erhöhte Wirksamkeit.
Hexal hält dagegen. Eine Aufspaltung der Produktbezeichnung in zwei Wortbestandteile sei künstlich. Die Bezeichnung „Bio“ stelle ein reines Kunstwort dar und werde von der Öffentlichkeit als solches wahrgenommen.
Auch sonst kann Hexal keine gesundheitsbezogenen Aussagen in den Produktbezeichnungen erkennen. Bei den Angaben „aktive und natürlich Darmbakterien“ handele es sich nicht um unzulässige, unrichtige beziehungsweise missverständliche Angaben. Die Bezeichnung „aktiv“ sei im Gegensatz zu „inaktiv“ zu verstehen. Außerdem komme jedes der in den Biosan-Produkten enthaltenen Bakterien auch in der natürlichen Darmflora vor und die verwendeten Bakterien seien zum Teil humanen Ursprungs. Auch die Angabe eines „einzigartigen Multi-Bakterienkomplex aus bis zu 70 Milliarden aktiven & natürlichen Darmbakterien“ sei nicht falsch, denn es gebe im deutschen Markt kein anderes Produkt mit dieser konkreten Zusammensetzung.
Vor dem Landgericht konnte der VSW keine einstweilige Verfügung erreichen. Der Verband konnte nicht glaubhaft machen, „dass die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung ‚Bio‘ in den jeweiligen Produktbezeichnungen dahingehend verstehen, dass die Vorsilbe ‚Bio‘ auf eine besondere natürliche Herkunft und Herstellungsweise hinweise“, so das Gericht. Der Durchschnittsverbraucher und auch das Apothekenpersonal sehe es als Kunstwort ohne Beschaffenheitsangabe an und habe lediglich nebulöse Vorstellung, dass es sich um eine „natürliches Produkt“ handle.
Außerdem handele es sich bei der Bezeichnung „Stress“ nicht um eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe. Für den Suffix „Plus“ liege zudem kein überschießendes Wirkversprechen vor. Das Landgericht sah auch in den Werbeangaben keine irreführenden, unzulässigen Angaben.