Die Beschäftigten der Pharmagroßhändler in Berlin und Brandenburg sind aufgerufen, am Dienstag in den Warnstreik zu treten. Damit reagiert Verdi auf das aktuelle Angebot der Tarifverhandlungen im allgemeinen Großhandel und im genossenschaftlichen Großhandel. Nur Gehe und Kehr-Berlin sind nicht dabei – und dürften damit die einzigen Großhändler in der Region sein, die heute ohne Störung liefern können.
Zum Warnstreik aufgerufen sind Beschäftigte der Niederlassungen der Unternehmen Phoenix, Alliance Healthcare Deutschland (AHD), Sanacorp und Noweda. Nach Angaben der Gewerkschaft sind dies alle Niederlassungen der Pharmagroßhändler in Berlin und Brandenburg. Zum Betriebsrat von Gehe war laut Ritter der Kontakt abgebrochen; auch Kehr-Berlin mit Sitz in Ludwigsfelde wird liefern. Die Beteiligung sei dennoch sehr gut – trotz Urlaub und hohen Temperaturen. „Heute wird es schwer mit der Auslieferung“, sagt Ritter.
Die Beschäftigten reagieren auf das aktuelle Angebot der Tarifverhandlungen im allgemeinen Großhandel vom 16. Mai und im genossenschaftlichen Großhandel vom 24. Juni: Die Großhändler hatten laut Verdi 2 Prozent mehr Lohn für das laufende Jahr und ein Gehaltsplus von 0,5 Prozent für 2020 angeboten. „Die Arbeitgeber kamen den Gewerkschaftsforderungen bisher nicht ausreichend entgegen, sondern boten lediglich Erhöhungen, die einen Reallohnverlust bedeuten würden. Die Angebote sind demnach nicht annehmbar“, heißt es in einer Mitteilung von Verdi.
Tatsächlich sind bei Phoenix die Frühtouren noch ganz normal rausgegangen, die Auslieferung um 11 Uhr wird sich verspäten. Für solche Situationen gibt es laut einem Sprecher Notfallpläne, sodass die Versorgung nicht komplett zusammenbricht. Die Kunden sind informiert. Seitens Noweda heißt es: Auch wenn die Niederlassung Mittenwalde ebenfalls bestreikt werde, erwarte man keinerlei Lieferengpässe. „Wir haben uns auf den heutigen Tag entsprechend vorbereitet und werden unsere Mitglieder und Kunden wie gewohnt zuverlässig mit ihren bestellten Arzneimitteln beliefern.“
Die Sanacorp-Niederlassung ist nach Angaben eines Sprechers zum aktuellen Zeitpunkt ist die Niederlassungen voll lieferfähig. „Mit hohem individuellen Einsatz arbeiten die Kolleginnen und Kollegen, die sich nicht am Streik beteiligen, die Kundenaufträge ab. Unterstützt werden sie dabei von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Verwaltung, von Außendienstmitarbeitern und auch Führungskräften, die ebenfalls engagiert bei der Kommissionierung mithelfen.“
Die Verdi-Mitglieder fordern 6,5 beziehungsweise 7 Prozent mehr Geld und 100 beziehungsweise 150 Euro mehr Ausbildungsvergütung, jeweils für eine Laufzeit von zwölf Monaten, sowie strukturelle Verbesserungen in der Vergütungsstruktur und eine Vorteilsleistung für Verdi-Mitglieder im Wert von 250 Euro.
„Die Beschäftigten brauchen mehr Geld, um die steigenden Lebenshaltungskosten bezahlen zu können und der Gefahr der Altersarmut entgegenzuwirken“, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Erika Ritter. Zudem seien die Gewinne der Branche beachtlich. „An dieser Entwicklung müssen die Beschäftigten angemessen beteiligt werden, denn sie haben diese Gewinne erwirtschaftet.“
Zur zentralen Streikkundgebung gegen 12 Uhr am Verdi-Haus in Berlin erwartet Verdi 200 Teilnehmer, zu denen auch die Belegschaft von Metro in Berlin Friedrichshain gehört. Laut Ritter geht es darum, im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde am Freitag ein Zeichen zu setzen. „Wir wollen einen gemeinschaftlichen Aufschlag“, erklärt sie. Bereits Ende Mai hatte es eine erste Protestaktion gegeben; Phoenix, AHD und Sanacorp konnten einige Stunden lang nicht liefern. Bei Noweda in Mittenwalde gab es eine Betriebsversammlung.
Vor kurzem wurde auch bei Großhändlern in Nordrhein-Westfalen gestreikt. In mehreren Betrieben wurde am 21. Mai die Arbeit niedergelegt, darunter Phoenix in Bielefeld, Herne und Köln, bei AHD in Köln sowie bei Sanacorp in Düsseldorf. In Hamburg hatte es parallel zu Berlin Proteste gegeben.
Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Streit: Anfang Juni hatten die Arbeitgeber ihr Angebot im Vergleich zur Vorrunde von 2,5 Prozent binnen zwei Jahren auf 3,0 Prozent im gleichen Zeitraum erhöht, wie Verhandlungsführerin Judith Röder sagte. „Damit haben wir uns aus unserer Sicht einen Schritt weiter auf die Gewerkschaft zubewegt.“ Die Nachbesserungen der Arbeitgeber sind aus Verdi-Sicht enttäuschend. „Auch dieses Angebot ist für uns keine Verhandlungsgrundlage“, so Verdi-Sprecher Jörg Lauenroth-Mago (Gehe/McKesson). Es zeige sich, dass die Arbeitgeber mit Argumenten nicht zu bewegen seien. Verdi kündigte Streikaktionen an, um den Druck zu erhöhen.
Am 5. Juli wird in Magdeburg weiterverhandelt. In Sachsen-Anhalt sind etwa der Großhändler Gehe und die Zentrallager der genossenschaftlichen Edeka-Märkte, von Rewe oder Netto wichtige Arbeitgeber der Branche.
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