Hermes: Zum Wohle der Familie Patrick Hollstein, 14.01.2019 10:16 Uhr
Hermes Arzneimittel ist unverkäuflich. Um sein Lebenswerk zu sichern, hat Firmeninhaber Johannes Burges das Unternehmen in eine private Stiftung eingebracht. Deren Zweck ist es, das Auskommen der Familie zu sichern.
Burges, Jahrgang 1939 und von Hause aus Nationalökonom, führte das Unternehmen zunächst gemeinsam mit seinem Vater Albert. Damals hieß die Firma noch Nymphosan, erst 1979 wurde der Name Hermes eingeführt. Seit 1974 ist Burges der alleinige Geschäftsführende Gesellschafter. Einen Nachfolger in der vierten Generation der Familie zu finden, sei nicht gelungen, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vor einigen Jahren.
Tatsächlich ist heute keiner der drei Nachkommen im Unternehmen: Johannes Burges jr. (Jahrgang 1965) betreibt in Pullach das IT-Systemhaus Multitrade; vor einigen Jahren hatte er ein Buch über seine Weltumrundung mit dem Propellerflugzeug verfasst. Marietta Burges (Jahrgang 1970) ist Bankkauffrau und lebt in Kassel. Florian Burges (Jahrgang 1973) lebte eine Zeitlang in Buenos Aires, heute betreibt er in München die Firma FMB Baubiologie.
Um die Nachfolge zu regeln, gründete Burges Ende vergangenen Jahres eine nach ihm benannte privatnützige Stiftung und brachte die Anteile an Hermes ein. Die Satzung gibt vor, wie mit den Gewinnen aus der Unternehmensgruppe umzugehen ist: Bis zu 80 Prozent der ausgeschütteten Summe sollen künftig genutzt werden, um die laufende Versorgung der Familie zu gewährleisten, weitere 20 Prozent sollen für Ausbildung und Existenzgründung künftiger Generationen vorbehalten sein. Außerdem sollen die bereits bestehende gemeinnützige Hermes-Johannes-Burges-Stiftung gefördert und später einmal auch die Grabpflege finanziert werden.
Die genaue Verteilung der Gelder unter den Begünstigten und die Erbfolge sind ebenfalls akribisch in der Satzung festgehalten. Drei Viertel der für die Lebenshaltung vorgesehenen Ausschüttungen fließen zu Lebzeiten an Burges selbst. Zu den Begünstigten gehören auch Johannes Burges jr. und dessen Frau Heike. Marietta Burges wird ebenfalls bedacht, allerdings ist sie noch mit 2,5 Prozent an der Firma direkt beteiligt. Gar nicht unter den Begünstigten ist Florian Burges. Er war zwar eine Zeitlang in der Geschäftsführung von Hermes, stieg aber vor 15 Jahren aus. Seine Anteile von ebenfalls 2,5 Prozent gingen 2009 zurück an die Firma.
Vorstände der Stiftung sind zunächst für die Dauer von zehn Jahren die beiden Hermes-Geschäftsführer Holger Dietel (Finanzen) und Jörg Wieczorek (OTC), im Stiftungsrat sind deren Kollege Dr. Andreas Schrepfer (Produktion) und Rechtsanwalt Dr. Wolfram Theiss sowie Burges als Stifter.
Maßgabe für Vorstand und Stiftungsrat ist es, die Firmengruppe in ihrem unternehmerischen Bestand zu erhalten. Der Stiftungszweck darf im Grundsatz nicht verändert werden. Satzungsänderungen sind nur zulässig, sofern es veränderte Verhältnisse geboten erscheinen lassen – etwa weil es keine Erben mehr gibt oder die Steuerlast zu hoch wird. Bislang hat das Finanzamt keine Probleme gemacht und der Übertragung der Anteile zu Buchwerten zugestimmt.
Bereits vor zwölf Jahren hatte Burges gegenüber der FAZ angekündigt, die Unternehmensgruppe in eine Stiftung einzubringen, die damals laut Bericht noch gemeinnützig sein sollte. „Mit der Stiftungslösung kann das Unternehmen in seiner jetzigen Form erhalten bleiben“, kündigte Schrepfer seinerzeit an. Weder ein Verkauf noch ein Börsengang kämen in Frage.
Hermes wurde 1907 zunächst als Teehersteller in München gegründet; 1939 zog die Firma nach Großhesselohe im Süden der Stadt um. Insgesamt beschäftigt die Gruppe heute 750 Mitarbeiter am Hauptsitz, in der österreichischen Zentrale in Wien sowie in den beiden Produktionsstandorten in Wolfratshausen und Wolfsberg/Österreich.
Vom Umsatz von zuletzt rund 230 Millionen Euro entfällt knapp die Hälfte auf die Lohnherstellung. Jährlich werden rund 90 Millionen Packungen produziert, vor allem Brausetabletten. Bereits 1960 hatte Hermes die erste Multivitaminbrausetablette auf den Markt gebracht, seit 1989 wird auch für andere Firmen produziert. Noch heute ist das Unternehmen dank eines speziellen Herstellungsverfahrens einer der führenden Lieferanten von Präparaten mit N-Acetylcystein, Macrogol, Calcium und Vitamin D.
Rund 75 Millionen Euro erwirtschaftet die Gruppe mit OTC-Präparaten, davon entfallen 90 Prozent auf das Inland. Zwei Drittel des Umsatzes in deutschen Apotheken entfallen auf hauseigene Marken wie Biolectra, Cevitt, Doc, Optovit und Superpep, ein Drittel steuerten zuletzt Lizenzprodukte wie Anti-Brumm (Vifor), Omron und zuletzt Algovir bei. Mit Betaisodona hat sich Hermes gerade ein weiteres Produkt von Mundipharma geschnappt. Klosterfrau hat sich in den vergangenen Jahren von solchen Deals wegen der Risiken verabschiedet. Auch Hermes hat im Fall von iWhite bereits negative Erfahrungen gemacht.
Rückläufig war zuletzt das Geschäft im Bereich Lebensmitteleinzelhandel und Drogeriemärkte. Hier ist das Unternehmen über seine Tochterfirma Bad Heilbrunner vertreten; rund 35 Millionen Euro steuert dieser Bereich zum Umsatz bei. Der jährliche Überschuss liegt bei rund 15 Millionen Euro.
Burges gilt unter den Inhabern der deutschen OTC-Hersteller als Legende. Seit 1970 engagierte er sich beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Von 1980 bis 2005 führte er den Verband ununterbrochen als Vorsitzender. 2015 wurde er für seine Leistungen zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Auch das Verbandsgebäude in Bonn, nach seinem Geschmack gebaut, trägt seinen Namen.
Ein weiterer OTC-Hersteller, der einer Stiftung gehört, ist übrigens Klosterfrau: Nach dem Tod des Firmenpatriarchen Wilhelm Doerenkamp wurde der größte Teil der Firmengruppe in den 1970er Jahren in eine Stiftung mit Sitz in Chur in der Schweiz überführt – die Familie in Gestalt von Doerenkamps einziger Enkelin Martine Eloy ist nur noch minderheitsbeteiligt.
Zweck der Stiftung sind die Förderung der Natur- und Geisteswissenschaften, die Unterstützung von Alten und Gebrechlichen sowie notleidenden und bedürftigen Kindern sowie die Förderung von künstlerischen, literarischen, kulturellen und humanitären Leistungen. Ein Verkauf ist damit eigentlich ausgeschlossen, denn Eingriffe in die Satzung gegen den Willen des Stifters sind fast ausgeschlossen und werden von den Behörden überwacht.