OTC-Hersteller

Hermes: Wieczorek präsentiert Nachfolger

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Berlin -

Bei Hermes Arzneimittel zieht sich die bisherige Geschäftsführung perspektivisch in die Familienstiftung zurück, um steuernd auf die Geschicke beim Biolectra-Hersteller einzuwirken. Daher werden für das Tagesgeschäft neue Geschäftsführer bestellt, für Marketing/Vertrieb wurde jetzt ein Verantwortlicher gefunden: Der bisherige Vertriebsleiter Thomas Stadler tritt die Nachfolge von Jörg Wieczorek an.

Um das unternehmerische Erbe zu sichern, wurde vor drei Jahren die nach dem langjährigen Firmenchef Johannes Burges benannte Familienstiftung gegründet. Alle drei operativ tätigen Gesellschaften – Hermes Arzneimittel (OTC), Hermes Pharma (Lohnherstellung) und Bad Heilbrunner (Mass Market) – wurden eingebracht. Hermes wurde dadurch unverkäuflich – und die Geschäftsführung quasi mit Immunitätsstatus versehen: Wieczorek und seine Kollegen Holger Dietel (Finanzen) und Dr. Andreas Schrepfer (Produktion) wurden mit langen Amtszeiten als Vorstände beziehungsweise als Stiftungsrat bestellt.

Aus der neuen Funktion heraus sollen sie in Zukunft „in einer beratenden und steuernden Funktion tätig sein, um den Gesellschaften mit ihren neuen Geschäftsführern, im Sinne der Familienstiftung, das Potential zur eigenen Entfaltung zu geben“.

Mit Stadler wird zum 1. Juli ein neuer Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bestellt – er wird das OTC-Geschäft zunächst gemeinsam mit Wieczorek führen. Der 48-Jährige kommt aus den eigenen Reihen, er ist seit 13 Jahren als OTC-Vertriebsleiter für Hermes tätig; davor hatte er für Novartis Consumer Health und Boehringer Ingelheim gearbeitet. Auf seiner Agenda stehen laut Hermes perspektivische Aufgaben: So soll er das OTC-Geschäft weiter ausbauen und die eigenen Marken wie auch die Marken der Kooperationspartner bei Apotheken und Arzpraxen stärker verankern und Marktanteile holen.

Stefan Walk wird seine Position als Marketingleiter auch in Zukunft behalten. Er war vor drei Jahren eigentlich mit der Aussicht auf mehr Verantwortung an Bord geholt worden. Wie Stadler hatte er im OTC-Team von Novartis gearbeitet; vor seinem Wechsel nach Pullach war er für die Selbstmedikation bei Hexal verantwortlich.

Maßgabe für Vorstand und Stiftungsrat ist es, die Firmengruppe in ihrem unternehmerischen Bestand zu erhalten. Der Stiftungszweck darf im Grundsatz nicht verändert werden. Satzungsänderungen sind nur zulässig, sofern es veränderte Verhältnisse geboten erscheinen lassen – etwa weil es keine Erben mehr gibt oder die Steuerlast zu hoch wird. Die Satzung gibt vor, wie mit den Gewinnen aus der Unternehmensgruppe umzugehen ist: Bis zu 80 Prozent der ausgeschütteten Summe sollen künftig genutzt werden, um die laufende Versorgung der Familie in Person der drei Kinder zu gewährleisten. Weitere 20 Prozent sollen für Ausbildung und Existenzgründung künftiger Generationen vorbehalten sein. Außerdem sollen die bereits bestehende gemeinnützige Hermes-Johannes-Burges-Stiftung gefördert und später einmal auch die Grabpflege finanziert werden.

Hermes wurde 1907 zunächst als Teehersteller in München gegründet; 1939 zog die Firma nach Großhesselohe im Süden der Stadt um. Im selben Jahr wurde Johannes Burges geboren, der das Unternehmen später gemeinsam mit seinem Vater Albert führte. Damals hieß die Firma noch Nymphosan, erst 1979 wurde der Name Hermes eingeführt. Seit 1974 war Burges der alleinige Geschäftsführende Gesellschafter.

Insgesamt beschäftigt die Gruppe heute 750 Mitarbeiter am Hauptsitz, in der österreichischen Zentrale in Wien sowie in den beiden Produktionsstandorten in Wolfratshausen und Wolfsberg/Österreich. Vom Umsatz von zuletzt rund 230 Millionen Euro entfällt knapp die Hälfte auf die Lohnherstellung. Jährlich werden rund 90 Millionen Packungen produziert, vor allem Brausetabletten. Bereits 1960 hatte Hermes die erste Multivitaminbrausetablette auf den Markt gebracht, seit 1989 wird auch für andere Firmen produziert. Noch heute ist das Unternehmen dank eines speziellen Herstellungsverfahrens einer der führenden Lieferanten von Präparaten mit N-Acetylcystein, Macrogol, Calcium und Vitamin D.

Rund 75 Millionen Euro erwirtschaftet die Gruppe mit OTC-Präparaten, davon entfallen 90 Prozent auf das Inland. Zwei Drittel des Umsatzes in deutschen Apotheken entfallen auf hauseigene Marken wie Biolectra, Cevitt, Doc, Optovit und Superpep, ein Drittel steuerten zuletzt Lizenzprodukte wie Anti-Brumm (Vifor), Omron und zuletzt Algovir bei. Mit Betaisodona hat sich Hermes zuletzt ein weiteres Produkt von Mundipharma geschnappt. Klosterfrau hat sich in den vergangenen Jahren von solchen Deals wegen der Risiken verabschiedet. Auch Hermes hat im Fall von iWhite bereits negative Erfahrungen gemacht.

Jüngster Neuzugang im Portfolio war Aspecton – beim Hersteller Krewel Meuselbach sollte die Zukunft eigentlich ebenfalls mangels Nachfolger gesichert sein: In ihrem Testament hatte die Tochter von Firmengründer Dr. Ernst Georg Blank verfügt, dass das Unternehmen in wirtschaftlicher Selbstständigkeit fortzuführen sei. Doch im Frühjahr 2019 nahm das Management nach dem offenbar für gescheitert erklärten Versuch, die Marken selbst zu neuem Glanz zu bringen, in Abstimmung mit Beirat und Gesellschaftern Verhandlungen über den Verkauf des deutschen OTC-Geschäfts auf. Kurz darauf wurde der Vertrag schließlich unterzeichnet, 18,5 Millionen Euro zahlte Hermes am Ende. Ausgenommen vom Deal war lediglich die Marke Hedelix, für die Hermes nur als Vertriebspartner fungiert. Krewel Meuselbach konzentriert sich auf den internationalen Vertrieb und produziert mindestens für die kommenden zehn Jahre auch für Hermes.

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