Hennig: Investition und Umbau für Securpharm Cynthia Möthrath, 28.06.2019 09:56 Uhr
Seit dem 9. Februar gilt in Europa die neue Fälschungsrichtlinie: Alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die seitdem produziert werden, durchlaufen eine Serialisierung. Die Umsetzung ist nicht nur für Apotheken mit Investitionen und Problemen verbunden, auch die Hersteller werden vor Herausforderungen gestellt. Die Brüder Kai und Holger Schleenhain, Inhaber von Hennig Arzneimittel, wurden bei der Umsetzung von Securpharm vor ungeahnte Hindernisse gestellt. Um sie zu überwinden, war eine Investition von rund 7,5 Millionen Euro notwendig.
„Es ist nur eine einzige Richtlinie, aber sie hat weitreichende Konsequenzen“, erläutert Dr. Peter von Hagel, Technischer Direktor bei Hennig. Die neue Serialisierungseinheit habe schlichtweg nicht in das bisherige Produktionsgebäude gepasst, die Fluchtwege wären blockiert gewesen. Daher musste umdisponiert und vor allem investiert werden: Das bisherige Distributionsgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde geräumt, entkernt und neu aufgebaut. Anforderungen an Technik, Lüftung, Wasser und Brandschutzmaßnahmen mussten erfüllt und das neu gestaltete Gebäude qualifiziert werden. Die gesamten Verpackungslinien zogen vom Hauptgebäude in die umgebaute Halle und wurden mit neuer Serialisierungstechnik im Wert von etwa einer Million Euro ausgestattet.
Der Aufbau der IT-Infrastruktur sei eine technische Herausforderung gewesen. Wenn mal etwas nicht richtig funktioniere, ziehe das „einen Rattenschwanz an Problemen und Kosten“ mit sich, erklärt von Hagel. „Die IT macht mir mehr Angst als mechanische Probleme.“ Der gesamte Umzug hat etwa ein Jahr gedauert. Für die Umsetzung der Fälschungsrichtlinie investierte das Unternehmen etwa den dreifachen Jahresgewinn. „Das ist für einen Mittelständler schon sehr viel“, gibt Schleenhain zu bedenken. Allerdings betont er auch: „Eine Innovation bekommt man nicht, ohne zu investieren.“
Durch die neue Datenschutzrichtlinie seien aber nicht nur Investitionskosten entstanden. „Es entstehen auch Folgekosten“, erklärt Schleenhain: Die Seriennummern müssen gekauft werden, Updates und Wartungen werden ebenfalls regelmäßig durchgeführt. Das Risiko für Fälschungen stuft Schleenhain jedoch in Deutschland als gering ein. Es entstehe eher beim Bezug von Medikamenten von nicht verifizierten Quellen aus dem Ausland.
Hennig fertigt aber nicht nur eigene Arzneimittel an, auch für andere Firmen wird produziert und konfektioniert. „Wir haben für jeden deutschen Generikahersteller schon mal etwas hergestellt“, erklärt Schleenhain. Mittlerweile mache die Produktion für andere Firmen sogar den Großteil aus. Zusätzlich findet der Export in 26 Länder statt. Bei vielen Unternehmen finde die Konfektionierung in Osteuropa oder sogar Asien statt. „Wir wollen jedoch made in Germany haben.“
Wäre nicht in die neue Konfektionierung investiert worden, hätten einige Generikahersteller womöglich die Lohnfertigung bei Hennig eingestellt. „Viele Kunden wollen alles aus erster Hand“, erklärt Schleenhain: von der Produktion bis zur Verpackung. Dadurch entstehe eine enorme Erleichterung von Formalitäten. 330 Mitarbeiter sind derzeit im Unternehmen tätig, 90 davon im Außendienst für Apotheken und Ärzte. Seit dem Umbau produziert Hennig mit drei Maschinenstraßen: Fünf Tage die Woche wird rund um die Uhr im Zwei- und Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet, um die Maschinen voll auszulasten.
Knapp 50 Prozent des Umsatzes macht Hennig mit Arlevert, dem Marktführer bei Schwindel. „Schwindel ist noch häufiger als Rückenschmerzen“, erklärt Schleenhain. Das Medikament hat in 34 Ländern die Zulassung, in Russland läuft ein weiterer Antrag mit Berlin Chemie als Partner. Um das Arzneimittel auch in den USA zu vermarkten, sucht Hennig derzeit noch einen passenden Partner für den Zulassungsantrag bei der FDA. Wenn alles klappe, könne in drei bis fünf Jahren mit einer Zulassung in den USA gerechnet werden, sagt Schleenhain. Das Procedere koste rund 15 bis 20 Millionen Euro.
Neue Wirkstoffe könne ein mittelständisches Unternehmen zwar nicht entwickeln, jedoch arbeite Hennig ständig an Weiterentwicklungen. So laufen derzeit die Zulassungsstudien für Arlevert retard: Statt wie bisher dreimal müsse die neue Formulierung nur noch zweimal täglich eingenommen werden. Dies würde vor allem die Compliance bei multimorbiden Patienten erhöhen. Der enthaltene Wirkstoff Cinnarizin sei jedoch kompliziert zu verarbeiten und stelle immer wieder vor galenische Herausforderungen. „Eine richtige Diva.“ Die Entwicklung sei ein schwerer und steiniger Weg, daher lasse man das Produkt durch Patent schützen.
Um ein breites Fundament zu schaffen, hat Hennig neben den krankenkassenabhängigen Produkten auch eine OTC-Linie aufgebaut, zu der Produkte wie Licener, Wortie, Footner, Medcoat und die Trivital-Linie gehören. Schleenhain betont, dass Wert darauf gelegt werde, die Produkte ausschließlich in der Apotheke zu vertreiben. Um sich von anderen Herstellern abzuheben, schafft das Unternehmen „Unique Selling Points“. So war Licener das erste Produkt gegen Läuse mit nur zehn Minuten Einwirkzeit, bei Wortie ist die Technik des Metallstifts ein wesentlicher Unterschied zu anderen Vereisungsmethoden, die mit Schwämmchen arbeiten.
In den letzten zehn Jahren hat Hennig seinen Umsatz von 35 auf 50 Millionen Euro gesteigert. „In den nächsten zehn Jahren sollen es noch einmal 30 bis 50 Prozent werden“, sagt Schleenhain. Wenn das USA-Geschäft hinzukomme, könne man sogar mit rund 200 Prozent Umsatzwachstum rechnen.