Comjoodoc

Heilberufler-Plattform: Vom Flughafen in die Apotheke

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Berlin -

Die Kommunikation von Apotheker zu Arzt zählt zu den regelmäßigen Ärgernissen in der Offizin. Auch dass es keine gemeinsame Kommunikationsplattform aller Apotheker gibt, stößt vielen Pharmazeuten auf. Das Berliner Unternehmen Comjoo schickt sich nun an, beides zu ändern: In einer Plattform will es Patienten und Heilberufler in sogenannten „Vertrauensnetzen“ zusammenführen – davon profitieren sollen alle.

Angefangen hat es mit Flughäfen. „Eigentlich haben wir eine Plattform für die vernetzte Zusammenarbeit von Leuten entwickelt, die global, schnell, vernetzt und interdisziplinär arbeiten“, erklärt Geschäftsführer Martin Högl. 2011 gründete der Wirtschaftsingenieur Comjoo und entwickelte einen Prototypen, der bei großen Projekten eine reibungslose Zusammenarbeit ermöglichen soll. Seine ersten Kunden waren Flughafengesellschaften. „Da hat man immer so 100 Leute, die für einen Zeitraum von 6 Monaten über Landesgrenzen hinweg eng zusammenarbeiten müssen“, erklärt er. Auch Anwälte und Architekten zählten zu den Kunden.

Doch mit der Übertragbarkeit von Branche zu Branche ist es so eine Sache: Zu unterschiedlich sind die Anforderungen. „Wir haben dann festgestellt, dass wir uns auf eine Branche konzentrieren müssen, deren Bedarf auch groß genug ist“, sagt Högl. So landete er in der Gesundheitsbranche. Eine willkürliche Wahl sei das nicht gewesen, beteuert er. „Meine Frau ist Ärztin, meine Tochter studiert Medizin. Ich hatte immer einen engen Draht ins Gesundheitswesen.“

Also begann Comjoo, die Plattform auf die Bedürfnisse anzupassen und verkaufte sie ab 2015 an mehrere Kliniken, darunter die Berliner Charité. Seit vergangenem Jahr arbeitet deren Abteilung für Nephrologie und internistische Intensivmedizin mit der Anwendung Comjoodoc. Aber Högl will nicht nur Krankenhausabteilungen besser vernetzen, er arbeitet derzeit am großen Wurf für sein Unternehmen: Comjoodoc soll bundesweit Ärzte, Apotheker, Therapeuten und Pfleger untereinander und dann wiederum mit ihren Patienten und Kunden vernetzen. Mittels verschlüsselter Text-, Sprach- und Bildübermittlung soll so ein organisationsübergreifendes Versorgungs- und Vorgangsmanagement ermöglicht werden: Vom einfachen Beratungschat über Vorbestellungen bis hin zur Anforderung von Folgeverordnungen und der Übermittlung von Befunden soll alles zusammengeführt werden. Auch das elektronisches Rezept steht natürlich auf dem Plan. Sobald es da ist, soll es voll in die App integriert werden.

Högls Geschäftsmodell: Für die Patienten ist der Service umsonst, sie müssen sich nur die App herunterladen und dann die Heilberufler ihres Vertrauens zu ihrem Netzwerk hinzufügen, um mit ihnen zu kommunizieren und Informationen auszutauschen. Anders als in der elektronischen Patientenakte können sie dabei fallabhängig entscheiden, wer welche Informationen sehen darf, versichert Högl. Braucht ein Patient beispielsweise eine Folgeverordnung, könne er sich an den Arzt wenden und diese anfordern. Der Patient könne dem Arzt beispielsweise direkt mitteilen, an welche Apotheke er das Rezept schicken soll. Die kann direkt die Verfügbarkeit prüfen und dem Patienten Bescheid geben, wann er das Arzneimittel abholen kann. Hat der Patient für den Apotheker seinen Medikationsplan freigeschaltet, kann der Pharmazeut parallel gleich einen prüfenden Blick auf mögliche Wechselwirkungen werfen.

Die Heilberufler müssen zahlen, um den Patienten diesen Service anzubieten. 35 Euro im Monat soll das Grundpaket für Apotheken kosten, es können jedoch noch sogenannte Scopes hinzugebucht werden – insgesamt werde der Preis zwischen 35 und 60 Euro im Monat liegen. Bei den Scopes handelt es sich um Funktionsmodule für Routinetätigkeiten, die mit wenigen Klicks erledigt werden könne, erklärt Högl. So gibt es für Onkologen beispielsweise das Scope Tumorboard, das für die digitale Durchführung von Tumorkonferenzen ausgelegt ist. So sollen ortsunabhängige Besprechungen, schnelle Entscheidungen und einheitliche Dokumentationen über die Plattform hinweg gesteuert werden. Welche Scopes – also Arbeitsprozesse und Dienstleistungen – für Apotheker angeboten werden sollen, werde im Moment ausgearbeitet. Dazu ist das Unternehmen derzeit auf der Suche nach weiteren Apothekenpartnern, um im Herbst mögliche Scopes zu entwickeln.

Daran arbeiten laut Högl fünf Apotheken und ein Pharmaunternehmen mit, die die Plattform derzeit testen. „Der Apotheker braucht für die Anwendung nur einen Browser“, sagt er. Nach Registrierung und Verifizierung der Betriebsstätte könne es direkt losgehen. Und auch für die Patienten soll es denkbar einfach werden: Ein QR-Code, ausgedruckt und mit an den HV gehängt, soll sowohl die Aufnahme der Apotheke ins Vertrauensnetz des Patienten als auch den Download der App in Sekundenschnelle ermöglichen. Ein vorgefertigtes Vertrauensnetz kann aus Datenschutzgründen nicht anbieten, „aber wir arbeiten gerade an einer Art Branchenbuch, damit die Anwender direkt sehen können, mit wem sie sich verbinden können“, so Högl.

Noch im Herbst soll Comjoodoc Easy für Patienten gelauncht werden, Heilberufler arbeiten mit Comjoodoc Pro. Der vollständige Rollout ist für 2020 geplant. Dabei setzen Högl und sein Team nicht auf Publikumswerbung, sondern wollen über die Heilberufler an die Patienten gelangen: „Wir glauben, dass es über die Profis schneller geht.“ Die Idee dahinter: Ärzte, Apotheker, Therapeuten und Pfleger, die die Anwendung nutzen, sollen ihre Patienten auf die Möglichkeit hinweisen, Comjoodoc zu nutzen. Daran müssten sie eigentlich ein Interesse haben, schließen bezahlen sie ja für das Angebot.

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