Ein schwelender Millionenstreit vor Gericht und offenbar kaum noch Geld in der Kasse: Die EU-Versandapotheke schlingert weiter durch den Markt. Die Aufsichtsbehörde beweist offenbar noch Geduld, doch die Zustände in Cottbus hören sich nach Berichten von Insidern dramatisch an. Der Prozess gegen den Großhändler Phoenix geht in die Verlängerung.
Schon seit einigen Monaten bekommt die finanziell angeschlagene Versandapotheke Ware vom Großhandel nur noch gegen Vorkasse. Auf der anderen Seite können die Kunden nicht mehr per Rechnung bezahlen. Vermutlich sind es die Liquiditätsengpässe, die bei der Auslieferung massive Verzögerungen zur Folge haben.
Ende Januar wurden die Kunden regelmäßig noch um zehn Tage vertröstet. Mittlerweile schafft die EU-Versandapotheke offenbar nicht einmal diese für Arzneimittel eigentlich nicht hinnehmbare Frist. Bis zu drei Wochen, mindestens jedoch jene zehn Tage sollen die Kunden heute angeblich auf ihre Medikamente warten. Insider bezeichnen das Vorgehen als „systematisch“ und haben auch die Aufsichtsbehörde darüber informiert.
Zwar war die zuständige Pharmazierätin schon zu Gesprächen bei der Apotheke am Telering in Cottbus, doch bislang werden die Vorgaben der Aufsichtsbehörde anscheinend ignoriert. Gegenüber APOTHEKE ADHOC konnte beim Landesgesundheitsamt bislang niemand Angaben zu der Sache machen. Ignorieren wird die Behörde die eingehenden Hinweise kaum.
Aus internen Korrespondenzen geht hervor, wie ernst die Lage ist. Ein Mitarbeiter aus dem Kundenservice fragt: „Hast du das Geld?“ Antwort aus der Buchhaltung: „Ich habe nichts.“ Und so werden wieder Kunden vertröstet, die mit Unverständnis und Spott auf die Ausflüchte reagieren. Teilweise werden aber auch Aufträge storniert, weil Patienten ihre Medikamente dringend benötigen und sich andernorts versorgen wollen.
Schon länger gibt es den Verdacht, dass die EU-Versandapotheke verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr in Eigenregie beliefert. Auf das Geld der Kassen müsste man schließlich noch länger warten. Zeit, die die Führung um Inhaberin Dr. Bettina Habicht offenbar nicht hat. Weil die Versandapotheke aber nicht alle Kunden mit Rezept wegschicken kann, kooperiert sie mit einer der Galenus-Apotheke in Cottbus.
Als diese Gerüchte das erste Mal die Runde machten, stritten Habicht und die Inhaberin der Galenus-Apotheke, Katrin Fehlert, noch jede Zusammenarbeit ab. Mehr noch, die beiden Apothekerinnen wollten nicht einmal miteinander bekannt sein. Mehrere Dokumente erhärten allerdings den Verdacht, dass man sich bei der Rezepteinlösung hilft.
Dazu zählt ein Bestellformular, mit dem die EU-Versandapotheke von Kunden beauftragt wird, aufgeführte Rx-Medikamente im Namen des Patienten bei der Galenus-Apotheke zu bestellen. Der Kunde unterschreibt, dass ihm bekannt ist, wer die Rezepte abrechnet und dass die Apotheke am Telering „nur die Bestellung, Besorgung, Prüfung und Abgabe durchführt“. Mit einer weiteren Erklärung genehmigen die Kunden die Datenweitergabe: „Ich willige ein, dass mein Rezept zur weiteren Bearbeitung an die Partnerapotheke Galenus-Apotheke zur Belieferung meiner Rezeptbestellung weitergeleitet werden darf.“
Dem Vernehmen nach werden täglich rund zwei Dutzend Rezepte auf diese Weise „weitergegeben“. Bei der EU-Versandapotheke wollte hierzu auf Nachfrage niemand Stellung nehmen. Im Umfeld der Versandapotheke wird schon lange gerätselt, warum nicht zumindest ein Ruhen der Versanderlaubnis zwischenzeitlich angeordnet wurde.
Die Zukunft der EU-Versandapotheke hängt maßgeblich vom Ausgang des Verfahrens gegen Phoenix ab. Der Großhändler fordert 5,4 Millionen Euro von Habicht, die selbst Gegenforderungen in Höhe von inzwischen 6,1 Millionen Euro erhebt. Gegen die Inhaberin wurde von verschiedenen Personen zudem Strafanzeige wegen Verleumdung erklärt.
Eigentlich sollte in dieser Woche das Landgericht Cottbus über den Millionenstreit mit Phoenix entscheiden. Doch die Richter haben noch Gesprächsbedarf, denn die Sache ist kompliziert. Der Termin wurde aufgehoben, am 17. April soll noch einmal verhandelt werden.
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