Der Versandhandel boomt. Beinahe alles kann online bestellt werden: Bücher, Elektronik, Kleidung, Lebensmittel – und natürlich Arzneimittel. Experten rechnen damit, dass sich das Geschäft von DocMorris & Co. bis 2018 verdoppelt. Aber die Bäume werden wohl auch für Versandapotheken nicht in den Himmel wachsen. Das jedenfalls legt eine Studie des Instituts für Handelsforschung (IfH) nahe. Die Experten haben die Käufer in Innenstädten nach ihren Gewohnheiten befragt. Und dabei auch erstmals Quoten für den Internethandel ermittelt.
Irgendwie wusste man das schon, aber Belege gab es dafür bislang nur wenige: Vor allem Telekommunikationsgeräte und Elektronik werden im Internet bestellt. Mit einem Versandanteil von 20,1 beziehungsweise 19,6 Prozent liegt dieser Bereich mit Abstand vorne. Darauf folgen mit 14,6 Prozent Bücher, vor der Kategorie Sport, Spiel und Hobby mit 12 Prozent. Lebensmittel werden zu gut 11 Prozent online bestellt, vor Schuhen und Bekleidung mit gut 9 Prozent. Überraschenderweise werden Schreibwaren und Büroartikel deutlich seltener online geordert. Und auch Möbel liegen im Internet noch klar vor Drogerieartikeln.
Arzneimittel wurden von den IfH-Experten bei den rund 60.000 Käufern in 121 Städten nicht abgefragt. Allerdings sehen die Handelsforscher dort die Kaufgewohnheiten ähnlich wie bei Drogerieartikeln: „Das sind stark standortgebundene Waren, die die Käufer vor Ort einkaufen.“ Ein Indiz für diese These sei, dass die Befragten angaben, zu 75 Prozent Drogerieartikel in ihrer Stadt zu kaufen. Das ist der in dieser Befragung am höchsten gemessene Anteil. Bei anderen Warengruppe gehen die Käufer in anderen Städten schon mal „fremd“.
Als weiteres Indiz für die These, dass Käufer bei Gesundheitsprodukten eher den Kauf vor Ort bevorzugen, könnten die Optiker liefern: Die Umfrage ergab auch hier nur einen sehr geringen Versandhandelsanteil: 72 Prozent kaufen Brillen und andere Optiker-Produkte in ihrer Stadt oder in der Umgebung. Shopping-Center und Fachmärkte am Stadtrand haben ebenfalls nur eine geringe Käuferquote.
Nach Angaben vom QuintilesIMS erreichte der Versandhandel im vergangenen Jahr bei OTC-Arzneimitteln und Gesundheitsprodukten insgesamt einen Marktanteil gemessen am Umsatz von 12,6 Prozent. Der Zuwachs von 15,4 Prozent lag deutlich über dem des OTC-Gesamtmarkts mit 3,9 Prozent.
Nach Packungszahlen betrug der Anteil des OTC-Versandhandels 8 Prozent bei einem Zuwachs von 12,2 Prozent. Danach haben Versandapotheken im OTC-Bereich ihren Marktanteil 2016 also erneut ausbauen können.
Auch Holger Schmidt, Netzökonom und Focus-Chefkorrespondent, sieht Arzneimittel als geeignet Kategorie für den Versandhandel: „Medikamente sind klein und leicht, haben Standardformate und geringe Retourenquoten. Das Sortiment ist überschaubar und überall gleich. Damit sind sie prädestiniert für den Versandhandel, die Zustellung durch einen Kurier oder bald auch die Lieferung per Drohne“, so Schmidt im Interview mit APOTHEKE ADHOC.
Aber wo ist die Grenze? Die Unternehmensberatung Sempora sagte 2015 voraus, dass sich der Versandanteil im deutschen Markt für rezeptfreie Arzneimittel bis 2018 verdoppeln wird. Damit läge der Umsatz bei rund 1,6 Milliarden Euro. Jetzt beträgt er knapp 1,2 Milliarden Euro. Um die Verdopplung zu erreichen, müsste der OTC-Versand in diesem und im nächsten Jahr schneller als bisher zulegen.
Unter den Apothekern fiel die Prognose damals keinesfalls eindeutig aus: Wachsen ja, über die Dynamik herrschte allerdings Uneinigkeit. Die These der Verdopplung teilten allerdings nur 37 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage. 35 Prozent glaubten an eine „moderate“ Steigerung. 13 Prozent waren sogar überzeugt, dass der Anteil „absehbar auf über 50 Prozent“ steigen wird. Danach sieht es nicht aus.
Nur 14 Prozent glaubten nicht an eine rosige Zukunft des Versandhandels: 6 Prozent gaben an, der Versandanteil werde „unverändert bei etwa 11 Prozent“ bleiben. 8 Prozent meinten, der Zenit sei überschritten und „der Online-Anteil wird sinken“. Laut Sempora ist der deutsche Markt beim Versandhandel von Arzneimittel schon weit entwickelt; nur in Großbritannien ist er noch stärker etabliert. Aus gutem Grund warb die Shop-Apotheke beim Börsengang mit Wachstumschancen im Ausland.
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