Halsschmerzmittel für Kinder nicht zu empfehlen APOTHEKE ADHOC, 05.01.2019 08:20 Uhr
Kinder leiden bis zu dreizehnmal häufiger unter Halsschmerzen als Erwachsene. Kratzen, Schluckbeschwerden, Rötung und Schwellung sind in den meisten Fällen auf einen grippalen Infekt zurückzuführen, der durch Viren hervorgerufen wird. Eine Linderung der Symptome versprechen Lutschpastillen, Halssprays oder Säfte. Welche bei Kindern tatsächlich empfehlenswert sind, wollte Öko-Test wissen und hat 16 Halsschmerzmittel untersucht.
Soviel vorab, die 16 Präparate im Test sind allesamt nicht empfehlenswert. Zu diesem Ergebnis kam Öko-Test in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt, der Nutzen und Risiko der Produkte anhand der aktuellen Studienlage bewertet hat. Liegen keine stichhaltigen Wirksamkeitsbelege aus Studien vor, wird bestenfalls mit „mangelhaft“ bewertet – dem besten Gesamtergebnis. Das Prädikat wird mit acht Produkten der Hälfte der Präparate verliehen. Sieben von ihnen sind Medizinprodukte.
Die Halsschmerzmittel für Kinder wurden in Apotheken und Drogerien eingekauft. Unter den Produkten sind sowohl Arzneimittel wie Gurgellösung Ratiopharm, Dorithricin (Medice), Laryngomedin N Spray (Cassella-med), Lemocin (GlaxoSmithKline) und Neo-Angin Halsspray (Klosterfrau) als auch Medizinprodukte wie Isla Junior (Engelhard Arzneimittel), Neo-Angin Junior Halsschmerzsaft (Klosterfrau), Aspecton Halstabletten (Krewel Meuselbach) sowie Emser Pastillen und Emsillen (Siemens & Co.).
Für alle Produkte im Test ist die Wirksamkeit nicht ausreichend oder nur teilweise belegt. Weder Präparate mit antibakteriellen, antiseptischen oder adstringierenden Wirkstoffen können bezogen auf die aktuelle Studienlage weder die Krankheitsdauer verkürzen noch Komplikationen verhindern. „Sie sollten besonders bei Kindern und Jugendlichen mangels belastbarer Daten nicht angewendet werden“, wird Schubert-Zsilavecz zitiert.
Die lokal anzuwendenden Präparate hätten ein Grundproblem. Sie können nur oberflächlich wirken, dabei sitze die Entzündung tiefer. Wirksamer seien Paracetamol und Ibuprofen gegen die Schmerzen. Die in den Gurgellösungen, Halssprays und Lutschpastillen enthaltenen Wirkstoffe besitzen zudem meist Nebenwirkungen. Daher gab es für Tyrothricin-, Benzocain- und Benzalkoniumchlorid-haltige Arzneimittel unabhängig von Wirksamkeitsbelegen Punkteabzug. Benzocain und Benzalkoniumchlorid können Allergien auslösen. Das Lokalanästhetikum berge zudem das Risiko einer Methämoglobinämie. Die Abwertung für Tyrothricin begründet Öko-Test mit der antibakteriellen Wirkung, es fehle jedoch die Wirksamkeit gegen Viren, die in den meisten Fällen Auslöser der Beschwerden sind.
Für die Medizinprodukte mit „Wirkstoffen ohne Nebenwirkungen“ fällt das Gesamturteil nicht viel besser aus. „Mangelhaft“ urteilen die Tester, aus deren Sicht der Nachweis fehlt, dass die Präparate besser wirken als „normale Bonbons ohne spezielle Wirkversprechen“.
Erst auf- dann abgewertet wird Neo-Angin-Halsspray mit 2,4-Dichlorbenzylalkohol und Amylmetacresol. Öko-Test spricht von einer „umstrittenen Kombination“, auch wenn die schmerzstillende Wirkung in Studien belegt sei. Punkteabzug gibt es jedoch für das Risiko für Nebenwirkungen und Allergien. Dieses sei durch die Kombination der antiseptischen Wirkstoffe erhöht. Außerdem ist Methylsalicylat, als Wintergrünöl enthalten, das Salicylsäure abspalten kann. Abstufungen gab es ebenfalls für Produkte, die Alkohol oder den künstlichen Farbstoff Chinolingelb enthalten oder denen eine Begrenzung der Anwendungsdauer auf drei bis fünf Tage fehlt.
Das Fazit: „Halsschmerzmittel bringen leider wenig. Viele enthalten nebenwirkungsträchtige Wirkstoffe und Hilfsstoffe, die man Kindern mit Halsschmerzen besser erspart.“